Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Mitglieder des G8,
Als Netzwerk christlicher Organisationen und Gemeinschaften aus ganz Europa schließen wir uns all denen an, die ihre Missbilligung zur Politik des G8 zum Ausdruck bringen. Wir erheben nun auch unsere Stimme.
1975 bezeichneten Ihre Vorgänger folgendermaßen die Daseinsberechtigung des G8:
«Wir kamen zusammen, weil wir gemeinsame Auffassungen hegen und gemeinsam Verantwortung tragen. (…) Jeder von uns ist verantwortlich dafür, dass der Wohlstand einer großen Industriewirtschaft gewährleistet bleibt. Wachstum und Stabilität unserer Volkswirtschaften werden der gesamten Industriewelt und den Entwicklungsländern zur Prosperität verhelfen.»
Wir teilen nicht Ihre Verantwortung; wir betrachten uns jedoch genau so wie Sie als verantwortlich für unsere Nächsten und für die Welt, in der wir leben. Wir teilen jedoch vor allem nicht Ihre Überzeugung, das Wachstum Ihrer Wirtschaften komme notwendigerweise den ärmeren Wirtschaften zugute. Die Wirklichkeit der neoliberalen Globalisierung, zu deren Gestalt Sie beigetragen haben, gibt Ihnen bei weitem Unrecht.
Sie haben versucht, aus Ihrer Überzeugung etwas zu machen, was wir im religösen Wortschatz ein Glaubensbekenntnis nennen: Sie glauben an sie. Sie haben versucht, daraus ein Dogma zu machen: sie allein ist die zugelassenen Lösung. Und Sie haben versucht, daraus eine gute Nachricht, eine frohe Botschaft zu machen: Sie behaupten, dem Rest der Welt den Wohlstand zu bringen.
Wir lehnen eine derartige Sakralisierung der wirtschaftlichen Grundsätze ab. Aus politischer Sicht ist sie gefährlich; aus wirtschaftlicher Sicht ist sie eine Entartung; aus theologischer Sicht ist sie ein Skandal.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir wenden uns an Sie als Zeugen einer Überzeugung ganz anderer Art. Wir haben eine gute Nachricht für Sie: Gerechtigkeit erreicht man nicht, wenn man die Reichen für die Ärmeren bestimmen lässt. Gerechtigkeit erzielt man nicht, indem man Mauern aufrichtet und sich zum Schutz vor Protestbewegungen barrikadiert. Gerechtigkeit gilt für alle, oder sie ist keine Gerechtigkeit.
Unsere Überzeugung gründet auf ein Wort, das uns vorangeht. Dieses Wort behauptet, dass «wer der Erste sein will, der muss der Letzte von allen werden und allen anderen diesen» (Markus 9, 35). So lautet unsere gute Nachricht. Es ist eine schlechte Nachricht für Ihre Wirtschaftspolitik. Aber es ist eine gute Nachricht.