Notwendige Korrektur aus Rom.
Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Versammlung von Aparecida, als am gestrigen Mittwoch (23. Mai) die Nachrichten von der Generalaudienz des Papstes in Rom eintrafen: Endlich hat der Papst seine Äußerungen über die Conquista korrigiert und präzisiert. Vor 25.000 Pilgern auf dem Petersplatz erinnerte der Papst an die Stationen seiner Brasilienreise und sagte dann über die Beziehung zwischen Glauben und Kultur:
„Die Erinnerung an eine ruhmreiche Vergangenheit darf die Schatten, die das Werk der Evangelisierung des lateinamerikanischen Kontinents begleiteten, nicht ignorieren, denn es ist nicht möglich, das Leid und die Ungerechtigkeiten zu vergessen, die von den Kolonialherren den oft in ihren grundlegenden Menschenrechten mit Füßen getretenen indigenen Völkern zugefügt worden sind. Die gebührende Erwähnung derartiger Verbrechen, die nicht zu rechtfertigen sind – Verbrechen, die zudem bereits damals von Missionaren wie Bartolomeo de Las Casas und von Theologen wie Francesco da Vitoria von der Universität von Salamanca verurteilt wurden – darf aber nicht daran hindern, mit Dankbarkeit das im Lauf dieser Jahrhunderte wunderbare, von der Gnade vollbrachte Werk wahrzunehmen.“
Damit korrigierte der Papst, was er bei der Eröffnungsrede der Versammlung von Aparecida zu Conquista und Evangelisierung behauptet hatte: die Verkündigung des Evangeliums habe „zu keiner Zeit“ eine Entfremdung der präkolumbischen Kulturen mit sich gebracht und sei auch nicht „die Auferlegung einer fremden Kultur“ gewesen. Viele Indígena-Organisationen und eine Reihe von Politikern, unter ihnen die Präsidenten Chavez von Venezuela und Morales von Bolivien waren über die Behauptung des Papstes empört. Auch viele Teilnehmende der Generalversammlung, Bischöfe, Priester und Laien, waren bestürzt und wehrten sich innerlich heftig gegen die einseitige Darstellung der Conquista durch den Papst. Man fragte sich, wie die vatikanische Diplomatie einen solchen Text nach dem Bußakt von Santo Domingo 1992 hatte durchgehen lassen können. Gerüchte behaupteten gar, dieser „Fehlpass“ des Papstes sei von Teilen der vatikanischen Diplomatie – einer Gruppe um den bisherigen Kardinalstaatssekretär Sodano – bewusst zugelassen worden, um Papst Ratzinger zu beschädigen. In der vergangenen Woche wurde hin und her erwogen, ob die Generalversammlung selbst die Äußerungen des Papstes „ergänzen“ solle. Die Sorgen vor zusätzlichen Verwicklungen aber überwogen und rieten dazu, abzuwarten.
Nach dem klärenden Wort aus Rom fühlt man sich nun in der Versammlung erleichtert, den Papst nicht öffentlich korrigieren zu müssen. Man wird von nun an die Eröffnungsrede immer mit der Ergänzung aus der Generalaudienz zusammenlesen müssen, unterstrichen verschiedene Mitglieder der Versammlung. Sie fühlen sich jetzt ermutigt, die Vergebungsbitte aufgreifen zu können, die Papst Johannes Paul II. vor sieben Jahren beim Bußakt im Petersdom so formuliert hatte: „Oft haben die Christen das Evangelium verleugnet und der Logik der Gewalt nachgegeben. Die Rechte von Stämmen und Völkern haben sie verletzt, deren Kulturen und religiösen Traditionen verachtet: Erweise uns deine Geduld und dein Erbarmen! Vergib uns!“
Norbert Arntz, Münster/z.Zt. Aparecida, 24. Mai 2007