Der Präfekt der Glaubenskongregation versperrt den wiederverheiratet Geschiedenen die Tür zur Kommunion
„Franziskus ist ein Pastor, der Papst ist, aber allerhand Theologie kennt, spirituelle Theologie.“
Artikel von J.M. Vidal in: Religión digital vom 3. Mai 2016.
Übersetzung aus dem Spanischen: Norbert Arntz
Er behauptet, dass Hans Küng ein Häretiker ist, der weder an die Göttlichkeit Christi glaubt, noch an die Heilige Dreifaltigkeit.
Er hält es für töricht, zu behaupten, er – Müller – sei ein Gegner des Papstes, aber in seinen Erklärungen unterstreicht der Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation, im Gegensatz zum Papst, dass Wiederverheiratete Geschiedene das Sakrament der Kommunion nicht empfangen können bzw. dass man die Unfehlbarkeit nicht in Frage stellen dürfe, wie das der Häretiker Hans Küng tue, der weder an die Göttlichkeit Christi, noch an die Heilige Dreifaltigkeit glaube.
Der deutsche Purpurträger war in Madrid, in der Universität „Francisco de Vitoria“, in der Universität der Legionäre Christi, um sein jüngstes Interview-Buch „Zur Lage der Hoffnung“ vorzustellen und einen Vortrag zu halten. Begleitet wurde er von einigen seiner Anhänger in Spanien wie dem ehmaligen Erzbischof von Madrid, Kardinal Rouco, dem Bischof von Alcalá, Juan Antonio Reig, sowie den Weihbischöfen Rico Paves und Martínez Camino.
Zuvor unterstrich der „Wächter der Rechtgläubigkeit“ im Widerspruch zu dem, was der Papst in der postsynodalen Exhortation „Amoris laetitia“ festhält, dass Wiederverheiratete Geschiedene in keinem Fall die sakramentale Kommunion empfangen dürften und dass sie nach der Beichte höchstens wie Bruder und Schwester zusammenleben dürften.
In sanfter Sprache und sanften Gesten, aber mit grundsätzlicher Härte wies der deutsche Purpurträger entschieden die These zurück, „Amoris laetitia“ habe den wiederverheiratet Geschiedenen eine Tür geöffnet, unter anderem, weil es „unmöglich sei, dass man unter den Bedingungen einer objektiven Sünde in der Gnade Gottes leben könne“.
Müller hebt hervor, dass es „ein Widerspruch sei“, geschieden zu sein und kommunizieren zu wollen; da es sich hier um göttliches Recht handele, und nicht um eine kirchenrechtliche Frage, könne „weder die Kirche noch irgendein Papst das ändern“! Weil die Ehe ein Sakrament ist und die Kirche die grundlegenden Elemente der Sakramente nicht ändern könne, könne sie auch keine zweite Ehe akzeptieren, wenn die Ehe gültig geschlossen wurde.“ Deshalb schließt er: „Man kann nicht in der Eucharistie ein Ja zu Jesus Christus sprechen und ein Nein zur Ehe. Das ist ein objektiver Widerspruch.“
Deshalb „sind alle Interpretationen, die über das Dogma der Kirche hinausgehen, falsch. Deshalb wollte auch Papst Franziskus in seinem Lehrschreiben keine „Interpretationen ex cathedra machen; denn alle Elemente sind dogmatisiert und auch der Papst kann sie nicht verändern.“
Der einzige pastorale Ausweg, der geschiedenen Widerverheirateten bleibt, die also in einer „irregulären“ Situation leben, aber sich der Kirche wieder annähern wollen, besteht in der Alternative, „entweder sich vom Ehepartner zu trennen, wenn es möglich ist, oder mit dem neuen Ehepartner in vollständiger Keuschheit zu leben, das heisst ‚als Geschwister‘, denn eine Situation, die dem göttlichen Gesetz widerspricht, ist nicht zu rechtfertigen“.
Der Glaubenspräfekt stimmt auch kaum mit den Bildern überein, die der Papst für die Kirche verwendet, wie z.B. „das Feldlazarett“. Er zieht die klassischen Bilder für die Kirche vor, wie z.B. Haus Gottes oder Volk Gottes, wenn er auch zugesteht, dass Franziskus, der ein pastoraler Papst sei, auch das Recht habe, die „pädagogischen“ Bilder zu verwenden, ohne sie aber als gleichwertig mit den klassischen Bildern zu betrachten.
Und weil er nun schon mal dabei war, den Papst zu kritisieren, verwarf der deutsche Kardinal auch die jüngste Annäherung von Franziskus an den Schweizer Theologen Hans Küng, dem Bergoglio in einem persönlichen Brief gerade gesagt hatte, es sei positiv, die Unfehlbarkeitsfrage wieder in der Kirche zur Debatte zu stellen. Müller richtete seine Kritik gegen den Schweizer Theologen, von dem er sagte, “ er hat die Päpste nicht nur als Menschen kritisiert, sondern auch als Institution“. Daher sei er nach aller Regel ein Häretiker. Erstens sei „weder seine Christologie noch seine Ekklesiologie katholisch“ und außerdem glaube er weder „an die Göttlichkeit Christi noch an die Allerheiligste Dreifaltigkeit“.
Dann wies er darauf hin, dass „die Unfehlbarkeit ein Dogma sei, Kern- und Wesensaussage der katholischen Ekklesiologie“. Und griff Küng erneut an: „Er darf nicht behaupten, er fühle sich durch den Papst ins Recht gesetzt!“.
Um die Argumentation zu vervollständigen, traf er jene Unterscheidung, die man von ihm bereits seit geraumer Zeit kennt, zwischen dem Theologen-Papst wie Benedikt XVI. und dem Pastoren-Papst wie Franziskus. Dieser ist „ein Pfarrer, mit seinem eigenen pastoralen Stil, der mit den Leuten in einfachen Worten spricht, aber die ganze Lehre voraussetzt, die Papst Benedikt so treffend erklärt hat“.
„Das bedeutet nicht“, fügte er vorbeugend hinzu,“dass Franziskus nichts von Theologie verstehe. Franziskus kennt viel von der Theologie, aber um ihn angemessen zu verstehen, muss man die Spiritualitätstheologie kennen. Franziskus vertritt eine Theologie, die von der Spiritualität herkommt“, wie z.B. Bernhard von Clarvaux, Franz von Assisi oder Ignatius von Loyola.
Müller ergriff auch die Gelegenheit, „Fehlinterpretationen einiger weniger“ zu kritisieren, „jener nämlich, die Widersprüche zwischen den jüngsten Päpsten erfinden. Damit fügen sie der Kirche Schaden zu“. Seiner Ansicht nach „müssten wir gemeinsam auf dem Weg sein, jeder mit seinem eigenen Charisma, um die Kirche insgesamt voranzubringen“.
Vielleicht bemühte er sich deshalb, die „bedeutsame Vision von Welt und Kirche“ wiederzubeleben, die Johannes Paul II und Benedikt XVI. bestimmten, obwohl er auch anerkannte, dass Franziskus als guter Lateinamerikaner eine andere Sicht auf die Welt habe, mit der er die Kirche zu den „realen Peripherien führt“. In jedem Fall ist die Vision anders als die europäische seiner Vorgänger, in der wir „es mit dem Säkularismus und einer aggressiven europäischen Politik gegen das Christentum“ zu tun haben.
Diese Vision des Wächters der Rechtgläubigkeit klingt deutlich anders als die der Barmherzigkeit von Franziskus. Während der Papst von der Kirche als dem Feldlazarett spricht, predigt Müller weiterhin die Kirche als Zollstation, als Fels, der von allen möglichen internen und externen Feinden umzingelt ist. Eine Kirche ohne Frühling und Compassion, aber fest in der Lehre.
Zuvor in Oviedo im dortigen Priesterseminar hatte Müller auf die Frage eines Journalisten geantwortet. Dieser hatte bemerkt, viele Gläubige seien verwirrt wegen des Konflikts zwischen der pastoralen Ausrichtung von Papst Franziskus und der Ausrichtung des Wächters des katholischen Dogmas. Müller antwortete indem er darauf hinwies, dass „wir wissen, dass Benedikt XVI. und Johannes Paul II oder andere Päpste die Substanz des Glaubens ebenfalls in einem pastoralen Ton unterstrichen haben, aber unser Papst Franziskus kommt aus einer Welt mit völlig anderen Erfahrungen“, die nicht ineinsfalle mit der „akademischen Bildung, an die wir uns in Europa seit Jahrhunderten gewöhnt haben“ Aber „der Papst will den Leuten nahekommen, die sich von der Kirche entfernt haben“. In diesem Zusammenhang entsteht dann „die Spannung zwischen der Treue zur Glaubenssubstanz und der dialogischen Annäherung an jene, die außerhalb der Kirche oder in irregulären Situationen leben“. In all dem, „ist es nicht leicht, die Ausgewogenheit zu bewahren, aber wir müssen zugunsten der Menschen nach einer Synthese zwischen der dogmatischen und der pastoralen Dimension suchen.“
Ebenso rechtfertigte Müller sich selbst, als er sagte: „Ich habe meine Pflicht zu tun, die darin besteht, den Glauben zu schützen und zu fördern, aber mein Buch bedeutet keine Korrektur des Papstes, auch wenn ich keine Kopie von Franziskus bin, der einige servile Applaudierer hat“. Insbesondere erinnerte Müller daran, dass „die Unauflöslichkeit der Ehe nicht ein simples kirchenrechtliches Gesetz sei, sondern ihren Grund im Wort Jesu Christi habe.“
Zu dem Vorgang, dass eine argentinische Richterin die Kirche um Informationen über Verbrechen in der Franco-Zeit ersucht habe, erinnerte Müller an „die Verbrechen an Laien, Priestern und Bischöfen“ zu Beginn des Bürgerkrieges, und fügte hinzu, dass er es für besser halte, “ dass alle Seiten sich in Spanien um Versöhnung bemühen und dass man die Geschichte nicht dazu benutze, neu Spannungen und Probleme hervorzurufen. Die Kirche rufe zur Versöhnung auf und nicht dazu, alte Wunden wieder aufbrechen zu lassen.“