Während des Weltsozialforums 2009 gab es am heutigen 1. Arbeitstag eine theologisches Diskussionsveranstaltung, in der es einen offenen Dissens unter den Anwesenden in Bezug auf Verständnis und Konzept von Theologie gab.
Die Veranstaltung hatte eine Auswertung des viertägigen Weltforums für Theologie und Befreiung zum Thema, das im Vorfeld des Weltsozialforums vom 21. bis 25. Januar 2009 ebenfalls in Belem stattgefunden hatte. Themen des Forums waren Wasser, Erde und Theologie: Ruf nach einem ökologischen Paradigma; Spiritualitaet und Ethik in der Agenda der Nachhaltigkeit und öko-theologische Dimensionen der Körperlichkeit.
TeilnehmerInnen des Weltforum für Theologie und Befreiung beklagten in der heutigen Veranstaltung, dass in den Diskussionen des Weltforums für Theologie und Befreiung weder die lateinamerikanische Realität, z.B. das Referendum über die Verfassungänderung in Bolivien, noch die katholisch kirchlich-reaktionäre Rolle rückwärts, wie sie in diesen Tagen wieder mal anhand der päpstlichen Anerkennung der Levebre-Bischöfe deutlich geworden ist, eine Rolle gespielt hätten. Es sei nicht mehr um Befreiung gegangen, sondern um Spiritualität und Begegnung mit anderen Religionen und Christentümern. Konkrete Welt- und Machtverhältnisse und auch Konzepte wie Nachhaltigkeit und Ökologie wurden kaum auf der Höhe der Zeit besprochen.
Darauf antwortete eine der OrganisatorInnen des Weltforums, dass genau dies durchaus auch Sinn mache, denn mit dem “Papismus” hätte eben nur eine der verschiedenen Gruppen des Weltforums ihre Probleme, dies dürfe man den anderen nicht aufdrücken. Es gehe darum, mit allen anderen Spiritualitäten im Gespräch zu bleiben.
Offenkundig wird hier eine kritische Theologie christlicher Tradition durch ein Konzept von Spiritualität ersetzt, der man nur Gutes unterstellt. Es soll gegen die historische Gewalttätigkeit des Christentums und die mögliche Gewalttätigkeit von Religion ein “unschuldiges” Konzept von Spiritualität gesetzt werden, der man die Rettung der Welt zumutet und zutraut. Mit einem so allgemein und unhistorisch gehaltenen Verständnis von Spiritualität aber, das offenkundig auch noch allen Menschen gemein sein soll, verliert man jede Kriteriologie für christliche Spiritualität im Dienst von Befreiung. Dahinter verbirgt sich ein unhistorisches und unrealistisches Denken, dass jeden Bezug auf die wirklichen Kämpfe und Sorgen der Menschen verliert. Natürlich ist auch der Begriff der Befreiung nicht einfach: Befreiung wovon und wozu? Um die Suche nach einer Antwort auf diese Frage kommt niemand herum. Und aus christlicher Perspektive kann und muss sie im Rückgriff auf die Nöte und Sorgen der Armen und Anderen und im Rückgriff auf die Traditionen der Christentümer gestellt werden. Und dabei geht es dann eben doch auch um die Unterscheidung der Geister. So ein Teilnehmer der heutigen Diskussion zurecht: Mit einer Spiritualität des “Evangeliums der Prosperität”, mit den Spiritualitäten der “Theologen” von IWF und Weltbank macht es nicht nur keinen Sinn, zusammen zu arbeiten, sondern ist es aus Sicht der Befreiung sogar unmöglich. Entsprechend kann und darf das Thema Befreiung nicht zugunsten von Spiritualität aufgegeben werden.