In Brasilien ist der erste Wahlgang um die Präsidentschaft zu Ende gegangen. Der extrem rechte Kandidat Bolsonaro ist mit 46% der Stimmen in Führung gegangen, ein zweiter Wahlgang ist aber notwendig, und so ist noch nicht alle Hoffnung verloren. Brasilien kann sich noch gegen ein reaktionäres, frauenfeindliches, die Umwelt zerstörendes System entscheiden. Noch besteht die Möglichkeit, sich gegen den Mann zu wenden, der die Militärdiktatur bejubelt, Folter gut heißt und sich rühmt, der Trump Brasiliens zu werden.
Kann Brasilien sich noch entscheiden?
„Der klare Sieg des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro bei der ersten Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahlen sorgt an den Aktien- und Devisenmärkten für große Freude“ titelte ein Beitrag bei den ard-Nachrichten. Nachdem der rassistische und demokratiefeindliche Bolsonaro einen extrem marktradikalen Ökonomen zum Kandidaten für das Wirtschaftsministerium ernannt hatte, hatten sich Banken, Agrobusiness und Großkapital endgültig auf die Seite des Antidemokraten geschlagen. Das kommentierte das Finanzkapital so: „Der Sieger bei den Präsidentenwahlen werde sich der Herkulesaufgabe stellen müssen, lange überfällige Strukturreformen unter massivem Gegenwind der Bevölkerung und der Opposition umzusetzen, meint Marian Heller, Portfoliomanager der BKC. Hierzu gehören seiner Meinung nach die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und vor allem die bei der Bevölkerung verhasste Reform des Rentensystems.“
Auch die neopentecostalen Kirchen haben sich hinter Bolsonaro gestellt, der vom brasilianischen Philosophen Vladimir Safatle als „klassischer Faschist“ bezeichnet wird. Er bündelt die Frustration vieler Menschen über die politische Klasse und die ökonomische Stagnation und gibt ähnlich wie Trump den Kritiker des Establishments, obwohl er selbst seit Jahrzehnten dazugehört, Demokratie ist für Bolsonaro eine „Schweinerei“.
Die Diktatur habe lediglich einen Fehler begangen: Sie folterte und tötete nicht
Bolsonaro hat 46% der abgegebenen Stimmen erlangt, aber von ca. 147 Mill. Wahlberechtigten BrasilianerInnen waren nur ca. 100 Millionen zur Wahl gegangen. In dieser Situation erweist sich einmal mehr die alte sozialwisenschaftliche Erkenntnis als wahr, dass der Faschismus eine Form bürgerlicher Herrschaft ist. Oder mit anderen Worten ist es dem Kapital ziemlich egal, ob demokratische Verhältnisse herrschen oder nicht: Hauptsache, die Profitrate stimmt. Der Tagesspiegel zitiert Bolsonaro mit den Worten: „Die Diktatur habe lediglich einen Fehler begangen: Sie folterte und tötete nicht.“ Das Kapital, das Agrobusiness und die Banken wollen nur eins: Privatisierung, Deregulierung und offene Tore in den Regenwald. Sie wollen nur eins: Kapitalismus. Wenn es nötig ist, mit Demokratie, wenn es nötig ist, ohne Demokratie.
PS: Warum dieser Kommentar auf einer theologischen Seite steht? Der Aufstieg der neopentecostalen Kirchen war auch ein Effekt der Schwächung der Befreiungstheologie durch Johannes Paul II und Ratzinger. Kein Vergeben, kein Vergessen!