Heute, am 16. November 2009, vor 20 Jahren drangen Soldaten in das Gelaender der Jesuitenuniversitaet in San Salvador ein und ermordeten kaltbluetig sechs Jesuiten und zwei Mitarbeiterinnen. In El Salvador, dem kleinsten Land Zentralamerikas erinnert man in den vergangenen Tagen in vielen Veranstaltungen an dieses Ereignis. An der Jesuitenuniversitaet finden internationale Foren und Seminare statt, mit denen an das wissenschaftliche Erbe der Ermordeten erinnert wird, so zum Beispiel an die soziologischen Beitraege von Segundo Montes zu Auswirkungen von Flucht und Vertreibung, von Migration auf die Gesellschaft und das Verstaednis von Menschenrechten, oder den Entwurf von Ignacio Mart¡n-Baro fuer eine Sozialpsychologie, die nicht analytisch beim Einzelnen ansetzt, sondern bei den gesellschaftlichen Voraussetzungen.
Schon in der ganzen vergangenen Woche fanden diese Veranstaltungen statt. Am Samstag lud dann die Jesuitenuniversitaet zu einem ganztaegigen Erinnerungstag ein, mit Filmpraesentationen, Lesungen, Vortraegen, Kinderschule unter freiem Himmel, einer Prozession und einem Gottesdienst mit vielen tausend TeilnehmerInnen. Auch an der anschliessenden Vigilia, der Nachwache nahmen viele Hunderte teil. Das Programm dieser Vigilia war gefuellt mit Informationen ueber den Hintergrund des Massakers, die Rolle und Arbeit der Ermordeten, die heutige Situation der salvadorianischen Gesellschaft , aber auch mit Konzerten einiger namhafter Stars der lateinamerikanischen Musikszene.
Im Gottesdienst wurde deutlich, dass es in der Erinnerung nicht nur um die sechs Jesuiten geht. Indem vor allen Dingen an die beiden ermordeten Frauen, Elba und Celina verwiesen wurde, wurde hervorgehoben, dass sie fuer all die Hunderte und Tausende im Kriege von den Militaers und den Todesschwadronen ermordeten stehen und diese Teil der Erinnerung in El Salvador sind. Und es wurde an die Opfer der juengsten Ueberflutungen erinnert, Folgen der Umweltzerstoerungen und des Klimawandels, deren Folgen die Aermsten immer heftiger zu spueren bekommen als die Reicheren, die ihre Haeuser auf sicheren Grund bauen koennen.
Der Gottesdienst wurde von Kanal 10, dem staatlichen Fernsehkanal live uebertragen, eine wirkliche Neuerung in El Salvador, die direkt auf die neue Regierung von Praesident Funes und die FMLN, die fruehere Guerilla, zurueckgefuerht werden kann, denn unter der frueheren rechten und militaernahen ARENA-Regierung waere dies undenkbar gewesen. Und noch ein Weiteres: Heute, am 16. November verleiht Praesident Funes den ermordeten Jesuiten posthum den hoechsten Staatsorden El Salvadors. Zumindest auf der symbolischen Ebene setzt die neue Regierung also positive Akzente.
Auf einer anderen Ebene tut sich eher Bedenkliches: Seit einigen Tagen sieht man wieder Militaer in den Strassen patrollieren, was sehr an die Situation in den 80er Jahren, den Krieg erinnert. Ein Ergebnis des Friedensschlusses 1992 war, dass das Militaer in die Kasernen verbannt wurde und die Sicherheit einer neu formierten Zivilpolizei uebertragen wurde. Dieser Zivilpolizei traut nun niemand mehr etwas zu, private Sicherheitsdienste hatten in den vergangenen Jahren Konjunktur, wobei pikanterweise der langjaehrige Vizepraesident und bei den Wahlen unterlegene Praesidentschaftskandidat von ARENA Eigentuemer von vier Sicherheitsdiensten ist, weshalb viele Menschen ihm auch nicht unbedingt den Willen zur Veraenderung der Sicherheitslage in der Gesellschaft zugetraut haben.
Jetzt aber hat ausgerechnet die Regierung Funes die Militaers aus den Kasernen geholt, um der Bandenkriminalitaet und der Gewalt in den Strassen durch Jugend- und Kinderbanden Herr zu werden. Er hat – mit Zustimmung eines grossen Teils der Bevoelkerung – die Kettenhunde wieder losgelassen, die in den 70er und 80er Jahren viel Unheil ueber die Bevoelkerung gebracht haben. Es stellt sich die Frage, ob die Strassen sicherer werden, wenn Militaer praesent ist. Und die Frage, ob die Kettenhunde auf Dauer ihrem Herrn gehorchen.