„Die Zeit, Brüder und Schwestern, die Zeit scheint reif. Es reichte nicht, dass wir untereinander gestritten haben, sondern wir wüten sogar gegen unser Haus. Heute gibt die Wissenschaft zu, was die einfachen Leute schon seit langer Zeit anprangern: Dem Ökosystem werden Schäden zugefügt, die vielleicht irreversibel sind. Die Erde, die Völker und die einzelnen Menschen werden auf fast barbarische Weise gezüchtigt. Und hinter so viel Schmerz, so viel Tod und Zerstörung riecht man den Gestank dessen, was Basilius von Cäsarea, einer der ersten Theologen der Kirche, den „Mist des Teufels“ nannte. Das hemmungslose Streben nach Geld, das regiert, das ist der „Mist des Teufels“. Der Dienst am Gemeinwohl wird außer Acht gelassen. Wenn das Kapital sich in einen Götzen verwandelt und die Optionen der Menschen bestimmt, wenn die Geldgier das ganze sozio-ökonomische System bevormundet, zerrüttet es die Gesellschaft, verwirft es den Menschen, macht ihn zum Sklaven, zerstört die Brüderlichkeit unter den Menschen, bringt Völker gegeneinander auf und gefährdet – wie wir sehen – dieses unser gemeinsames Haus, die Schwester und Mutter Erde.“
(Papst Franziskus, Ansprache an das 1. Welttreffen der Sozialen Bewegungen, Rom, 28.10.2014)
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet kommt in den Dom. „Domgedanken“ heißt die Reihe, die Hoffnung stiften soll in schwierigen Zeiten. Manch einem mag das auf den ersten Blick plausibel erscheinen, ist doch Laschet Katholik. Somit, so könnte man meinen, wäre es über das politische Tagesgeschäft hinaus schön, wenn jemand wie er Hoffnung und Orientierung gäbe. Wir halten es für keine gute Idee. Im Gegenteil. Und dafür wollen wir vor allem einen gewichtigen Grund angeben. Zunächst erinnert diese Einladungsgeste des Bistums an die Wahlaufforderungen der katholischen Kirche in den 1950er bzw. 1960er Jahren. Auch im Jahr 2020 befinden wir uns im Wahlkampf und dem CDU-Ministerpräsidenten, CDU-Vorsitz-Bewerber und potenziellen Kanzlerkanditaten wird der rote Teppich ausgerollt. Die Einladung davon zu trennen, ist naiv und weltfremd und insofern leistet das Bistum Münster hier aktive Wahlkampfhilfe. Diese Kritik könnte zum Beispiel auch von den Oppositionsparteien kommen. Aber das ist nicht unser Punkt. Unsere Kritik geht weiter.
Denn die Einladung steht im Widerspruch zu der Arbeit von Religionslehrer_innen, die sich auf Papst Franziskus beziehen, die „Laudato si“ und die Bewahrung der Schöpfung zu einem gewichtigen Thema ihres Unterrichts machen und vor allem: die sich auf die Seite ihrer Schüler_innen stellen. Fridays for Future und die Klimagerechtigkeitsaktivist_innen haben gerade im letzten Jahr die Klimakatastrophe, in der wir uns befinden, eindrucksvoll auf die Tagesordnung gesetzt. Sie haben deutlich gemacht, was Aufgabe der Kirchen und damit auch des Religionsunterrichtes wäre: den Status quo der Zerstörung nicht weiter fortzusetzen. Es geht um eine Unterbrechung, unsere Schüler_innen nennen es Schulstreik, darum, eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung als einzige Möglichkeit in den Köpfen und Herzen der Menschen Raum greifen zu lassen und in die Wirklichkeit hineinzutragen. Auch wenn Armin Laschet Katholik ist, so steht er doch für das Gegenteil: für die Durchsetzung der Interessen von RWE im rheinischen Braunkohlerevier, für die massive Repression gegen Klimaaktivist_innen, für einen Kohlekompromiss, der nicht ansatzweise das hält, was Regierungen versprochen haben und was zumindest die dramatischsten Folgen der Klimakatastrophe abmildern könnte. Und er steht ganz aktuell für die Inbetriebnahme des illegal gebauten Kraftwerks Datteln 4, die nicht einmal durch den völlig ungenügenden Kohlekompromiss gedeckt ist. All dies wird durch die Landesregierung NRW, für die der Ministerpräsident Laschet steht, weitergeführt. Mit der Einladung an Armin Laschet verspielt die katholische Kirche ein weiteres Stück ihrer Glaubwürdigkeit und fällt den Religionslehrer_innen in den Rücken, die den Kampf gegen die Zerstörung der Schöpfung und damit unser aller Lebensgrundlagen ernst nehmen. Sie raubt ihnen zudem ihre Glaubwürdigkeit für ihre Schüler_innen.