Pressemitteilung des Instituts für Theologie und Politik (ITP) vom 10. August 2022
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in seinem heutigen Urteil im Anschluss an die mündliche Verhandlung entschieden, dass die präventive Gewahrsamnahme durch die Polizei Recklinghausen von drei Mitarbeiter*innen des Münsteraner Institut für Theologie und Politik (ITP) rechtswidrig war.
Zwei Theolog*innen und ein Begleiter waren am 1. Februar 2020 im Umfeld des Kohlekraftwerks Datteln IV bei einer Verkehrskontrolle im Vorhinein zu einer Protestaktion des Bündnisses „Ende Gelände“ festgenommen worden. Dabei konnte ihnen kein Tatvorwurf gemacht werden. Dennoch wurden sie für eine Nacht unter erniedrigenden Bedingungen entkleidet in Präventivgewahrsam festgehalten.
Das VG Gelsenkirchen stellt nun in dieser Vorgehensweise einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention fest. Sobald das Urteil rechtskräftig ist, werden die beteiligten Mitarbeiter*innen des ITP an das Polizeipräsidium Recklinghausen eine Schadensersatzforderung stellen.
„Das heutige Urteil hat für uns auch eine politische Dimension. Das NRW-Polizeigesetz, das im Februar 2020 erst wenige Wochen in Kraft war, sollte von seiner Grundanlage auch gegen Klimaproteste eingesetzt werden. Das heutige Urteil kritisiert also auch, dass die Verschärfungen in der Polizeipraxis massiv in Grundrechte eingreifen. Präventivgewahrsam ist und bleibt eine demütigende polizeiliche Praxis, die menschenrechtlich schwer zu legitimieren ist. Deswegen ist es richtig dagegen vorzugehen und die Einhaltung von Grundrechten im Kontext von Protesten einzufordern“, so Theologin Dr. Julia Lis, eine der Betroffenen und Klägerin im Verfahren.
„Wir sind erleichtert, dass das Gericht unserer Kriminalisierung durch die Polizei Recklinghausen etwas entgegengesetzt hat. Auch unter der neuen schwarz-grünen Landesregierung hat die Polizei bis zuletzt an der Legalität ihrer Praxis festgehalten. Wir sehen also NRW-Innenminister Reul letztlich in der Verantwortung für dieses unrechtmäßige Vorgehen der Polizei“, erklärt der Theologe Benedikt Kern vom Institut für Theologie und Politik. „Es bleibt zu hoffen, dass es künftig keine derartige Repression gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung mehr geben wird und stattdessen grundlegende gesellschaftliche Veränderungen möglich werden.“
2020 hatte es bundesweit mediale Reaktionen auf die Präventivgewahrsamnahme gegeben. Die NRW-Landesregierung hatte im März 2020 bereits erklärt, dass sie das Vorgehen des Polizeipräsidiums Recklinghausen für überzogen hielt. Das VG Gelsenkirchen hatte bereits in einem Eilverfahren im Frühjahr 2020 das von der Polizei verhängte Betretungsverbot der Kraftwerksumgebung aufgehoben. Eine mögliche Schadensersatzklage kann nun am Landgericht Bochum erhoben werden.