Stellungnahme des Arbeitskreises Religionslehrer*innen am ITP zum digitalisierten Distanzunterricht
Am 26.01.2024 veröffentlichte das NRW-Schulministerium per Pressemitteilung den Plan, die Ausbildungs- und Prüfungsordnung an den Berufskollegs zu ändern. Darin soll festgeschrieben werden, dass die „Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht in synchroner und digitaler Form unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft ermöglicht werden soll.“
Damit soll eine Bildung auf der „Höhe der Zeit“ gewährleistet werden, so der Wortlaut. Weiter heißt es, es biete die Chance, innovative Lehr- und Lernformen umzusetzen. Zudem würde dies den Wünschen vieler Ausbildungsbetriebe entsprechen, weil die Fahrzeiten für die Schüler*innen zu den Schulen reduziert werden könnten. Im Großen und Ganzen betrachtet, würden junge Menschen in NRW somit eine moderne berufliche Bildung erhalten, so Ministerin Feller.
Beim Lesen der Mitteilung fallen der geneigten Lehrer*in mehrere Aspekte negativ auf: Bildung wird hier völlig inhaltsleer und nur nach formalen Gesichtspunkten beschrieben. Welche Inhalte sollen denn überhaupt digital unterrichtet werden, bedeutet „modern“ in diesem Kontext ausschließlich „digital“?
Der Zynismus des Bildungsministeriums ist an dieser Stelle kaum zu überbieten. So verweist Frau Feller wider besseres Wissen „auf die guten Erfahrungen mit dem Lernen auf Distanz“ während der Pandemie. „Darauf bauen wir jetzt auf und gehen einen Schritt weiter.“ Das auf verschärfte Weise zugerichtete Subjekt lässt grüßen: Um was geht es? Natürlich um nichts anderes als employability – uneingeschränkte Beschäftigungsfähigkeit – im digital-globalen Kapitalismus. Auf lange Sicht eröffnen sich zudem viele Einsparmöglichkeiten. Dass dabei viele auf der Strecke bleiben, scheint nicht zu interessieren. Dass es Länder gibt, die mittlerweile massiv mit ihrer Digitalisierungsstrategie zurückrudern (siehe Schweden), auch nicht.
In unserer täglichen Unterrichtspraxis sitzen größtenteils Schüler*innen vor uns, die nur noch schwer in der Lage sind, Gespräche zu führen, Pausen in Gesprächen auszuhalten, zuzuhören, auf den Kommunikationspartner einzugehen und nicht sofort wegzuklicken, wenn es schwierig wird. Dies sind Fähigkeiten, die Schüler*innen verlernt haben. Wir stellen fest: Die digitale Unterrichtsform hat die Schüler*innen definitiv zum Negativen verändert. Auch sehen wir unmittelbare Zusammenhänge zum Schulabsentismus, der so hoch ist, wie nie zuvor.
Der Distanzunterricht hat die Schüler*innen gelehrt, dass man zwischenmenschliche Probleme am besten löst, wenn man nicht mehr zu Schule geht, um Konflikten mit den Mitschüler*innen oder Lehrer*innen aus dem Weg zu gehen. Studien (zum Beispiel von Krankenkassen) haben gezeigt, dass der Distanzunterricht bei den Jugendlichen viele psychische Probleme erzeugt hat. Diese Art des entpersonalisierten Unterrichtens und Lernens nun weiter festzuschreiben, scheint uns das absolut falsche Signal zu sein!
Quelle: https://www.schulministerium.nrw/presse/pressemitteilungen/schulministerin-feller-wir-sorgen-fuer-eine-moderne-berufliche-bildung