Bischof Kräutler zur Amazonien-Synode

Bischof Erwin Kräutler und Cordula Ackermann, Rom 2015

Verantwortung für die Schöpfung und die kommenden Generationen

Bischof Kräutler zur Amazonien-Synode

Im Interview mit dem vatikanischen Onlineportal „Vatican News“ (Freitag, 17. 5. ) kritisiert der brasilianisch-österreichische Bischof Erwin Kräutler, dass Brasiliens Staatspräsident Jair Bolsonaro die Amazonasregion vor allem als Wirtschaftsressource betrachtet, sie für multinationale Konzerne öffnet und die Rechte der dort lebenden Indigenen beschneidet. „Er denkt nur vom Export, von der wirtschaftlichen Dimension her. Die Indios existieren für ihn eigentlich nicht“, sagte der 79jährige emeritierte Bischof von Altamira-Xingu. „Ich sage auch ganz klar, er kennt Amazonien gar nicht“, charakterisiert Kräutler den seit Januar 2019 amtierenden Staatspräsidenten.

Kräutler, der von 1983 bis 1991 und später erneut von 2006 bis 2015 Präsident des Indigenenmissionsrats der brasilianischen Bischöfe (CIMI) war, rief zur internationalen Hilfe gegen eine solche Politik auf. „Es kann nicht sein, dass wir, statt nach vorne, zurückgehen und sagen, die Indios sollen in die so genannte nationale Gesellschaft integriert werden. Sie sind die Ersten, die dort gelebt haben!“

Amazoniens klimaregulierende Funktion für den Planeten

Angesichts der voranschreitenden Umweltzerstörung am Amazonas betonte Kräutler auch die klimaregulierende Funktion der Region für den ganzen Planeten. „Da möchten wir auch als Kirche nicht sagen, ‚das gehört irgendeiner politischen Partei‘, das wäre ihr Anliegen. Nein. Wir glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Wir tragen Verantwortung für diese Schöpfung, die uns gegeben ist. Wir sind verantwortlich für die nächsten Generationen. Wenn ein Kind heute auf die Welt kommt, dann frage ich mich immer: Welche Welt hat dieses Kind, das heute auf die Welt kommt, in ein paar Jahren? “

Der aus Vorarlberg stammende Kräutler äußerte sich gegenüber „Vatican News“ in Rom, wo er in diesen Tagen an einem vorbereitenden Treffen für die von 6. bis 27. Oktober im Vatikan stattfindende Amazonien-Synode teilnimmt. Dabei erstellten die Organisatoren der Synode den Grundlagentext für die Bischofsversammlung, das sogenannte „Instrumentum Laboris“ (Arbeitsdokument). Bischof Kräutler ist Mitglied des sogenannten vorsynodalen Rates, der mit dem römischen Generalsekretariat der Bischofssynode bei der Vorbereitung der Synodenversammlung zusammenarbeitet. Bei der Synode soll es neben der Ökologie um Theologie und Seelsorge, um die Belange der Indigenen sowie um Menschenrechte gehen.

Respekt vor der indigenen Kultur

„Man kann schon sagen, dass wir einen ganz neuen Zugang speziell zu den indigenen Völkern wollen. Wir wollen ihre Kultur berücksichtigen“, sagte Kräutler zu den Themen der mit Spannung erwarteten Bischofsversammlung. Die besonderen Ausdrucksformen des Glaubens von Indigenen seien viel höher zu schätzen als bisher. Der pastorale Zugang dürfe nicht wie früher sein, „mit dem Kreuz zu den Indios“ zu gehen, sondern man müsse davon ausgehen, was sie bereits haben, so der Bischof. „Der liebe Gott war vor uns da. Und Jesus Christus, also dieser Gott, den wir verkünden, den wir ihnen zeigen, ist der Gott, der befreit. Das ist für uns wichtig und zwar ganz entschieden im Zusammenhang mit dem Exodus- Bericht. Aber es gibt noch etwas anderes im Neuen Testament: Im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums, worin Jesus sich identifiziert. Er sagt nicht: „Tut was für die Armen!“, er sagt: „Ich war arm. Ich war durstig. Ich war hungrig. Ich war krank. Das ist eine Stelle, die auch Papst Franziskus sehr oft nennt.“

Neue Formen der Kirchen- und Gemeindeleitung

Auch die Rolle von Frauen in der Seelsorge werde „hundertprozentig“ ein besonders zu behandelnder Punkt bei der Synode sein, sagte Kräutler weiter. „Ich kann mir unsere Kirche da drüben nicht vorstellen ohne die Frauen“, meinte er mit Blick auf das kirchliche Leben in der Amazonas-Region. In der Diözese Xingu würden zwei Drittel der rund 800 Gemeinden von Frauen geleitet. „Meistens sind sie auch Lehrerinnen und übernehmen diese Verantwortung für die Gemeinden. Sie leiten den Wortgottesdienst mit allem Drum und Dran“, erklärte der Bischof: „Der Priester kommt zwei oder drei Mal im Jahr dorthin. Das ist eine Herausforderung sondergleichen.“ In Amazonien gebe es keine „Männerkirche“, sondern „eine Kirche, wo Männer und Frauen gleichberechtigt sind in der pastoralen Arbeit, und das muss berücksichtigt werden.“

Papst Franziskus habe die Synode einberufen „aus Liebe zu Amazonien“, fügte Kräutler hinzu. „Wir können jetzt nicht einfach so tun, als wäre das einfach eine Versammlung, wo ein paar Bischöfe zusammenkommen und sagen: ‚Ich bin dieser Meinung und du bist jener Meinung.‘ Ich glaube, wir müssen uns schon ‚zusammenraufen‘, damit wir zu einer Lösung kommen auch für die Frauen in der Kirche.“

Eine spannungsreiche Arbeitsvorlage

Das „Instrument laboris“ (die Arbeitsvorlage für die Synode) werde jedenfalls ein durchaus spannungsreiches Dokument sein, meinte der Bischof im Gespräch mit „Vatican News“. „Für Unruhe wird sorgen, dass da zwei pastorale Linien aufeinanderprallen. Denn die Europäer sehen viele Dinge ganz anders als wir. Wir kommen von der Basis her, und das ist ein ganz anderer Zugang zu den Fragen.“ Ein Bischof müsse zuerst ein „hörender Bischof“ sein.

Auch sei der Ansatz von Papst Franziskus, nicht darauf zu warten, dass die Leute zu uns kommen, “ Er ist ganz auf unserer Linie. Er wird sich nicht als Befreiungstheologe outen, aber er hat genau diesen Ansatz. Er will eine Kirche, die bis zu den äußersten Peripherien geht, und zwar nicht nur zu den geographischen, sondern den existenziellen. Da, meine ich, muss die Synode ein paar Schritte weitergehen. Das hoffen wir einfach.“

(Quellen: