Bei der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) werden im September 2022 in Karlsruhe Delegierte und internationale Gäste unter dem Thema „Die Liebe Christi bewegt die Welt zu Versöhnung und Einheit“ zusammenkommen. Angesichts des Zustands der Welt und auch der Kirchen werden wir mit anderen Basisinitiativen diese Gelegenheit nutzen, unser Verständnis von Frieden und Gerechtigkeit an dieses Treffen heranzutragen. Hierfür soll es das basis-ökumenische Zentrum Casa Común in Karlsruhe geben.
Aus unserer Sicht erscheint es sehr wichtig, Gespräch mit den sozialen Bewegungen weltweit zu suchen, die schon lange an diversen gesellschaftlichen Problemkonstellationen mit großer Ernsthaftigkeit und Dissidenz zu den herrschenden Verhältnissen arbeiten, und von denen sich die meisten großkirchlichen Akteure schon längst verabschiedet haben. Auch wenn Papst Franziskus im Oktober noch zu einem Welttreffen der Sozialen Bewegungen eingeladen hatte, an dem wir vom ITP ebenfalls teilgenommen haben.
Mit Blick auf die Vollversammlung des ÖRK und die Casa Común möchten wir zwischen März und Juni 2022 neben anderen Aktionen, Veranstaltungen und Kampagnen drei Hearings mit VertreterInnen solcher sozialen Bewegungen organisieren. Hearings Sozialer Bewegungen vor der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen weiterlesen
Archiv der Kategorie: Aktuelles
Seligsprechung des 1977 von Großgrundbesitzern ermordeten salvadorenischen Priesters Rutilio Grande
Rutilio Grande (1928-1977) – Kronzeuge für „die Kirche der Armen“
Endlich wird diesem Propheten der Kirche in El Salvador die kirchenamtliche Anerkennung nicht mehr verweigert. Endlich wird sein Lebenswerk anerkannt. Endlich wird ein für allemal Schluss gemacht mit dem über Jahrzehnte währenden Verleumden, Diffamieren und Totschweigen. Die Heiligsprechung durch die kleinen Leute hat sich schlussendlich durchgesetzt. Heute, am Samstag, den 22. Januar 2022, wird Rutilio Grande zusammen mit den beiden an seiner Seite ermordeten Mitarbeitern als beispielhafter Christ öffentlich anerkannt. Seligsprechung des 1977 von Großgrundbesitzern ermordeten salvadorenischen Priesters Rutilio Grande weiterlesen
Theologie der Befreiung: Geschichte eines Konfliktes
50 Jahre ist es her, dass Gustavo Gutiérrez das für die lateinamerikanische Befreiungstheologie richtungsweisende Buch „Theologie der Befreiung“ veröffentlicht hat.
Dies war zwar keinesfalls die Entstehung der Befreiungstheologie, doch seit dem gibt es eine Auseinandersetzung um die „harte“ und „weiche“ Rezeption dieser Theologie, die auf die Umwälzung der Verhältnisse ausgerichtet ist. Bis heute gibt es ein Ringen um ein befreiendes Christentum, um seine Verwässerung und seinen Relevanzverlust. Dies möchten wir zum Anlass nehmen, in unserer international besetzten Online-Veranstaltung zu fragen, woher kam die Befreiungstheologie, was macht(e) sie aus und welche Wirkungsgeschichte hat sie bis heute und welche Konflikte um die Rezeption ergeben sich daraus?
Mit: Alberto Moreira (Brasilien), Maria Klemm (Schweiz), Pilar Puertas (Mexiko, ITP), Michael Ramminger (ITP), Hernan Leemrijse (Chile).
Alberto Moreira hat folgende Powerpointpräsentation zur Verfügung gestellt: Zur Geschichte der lateinamerikanischen Befreiungstheologie_Alberto Moreira
Mittwoch, 1. Dezember 2021 um 19.00-21.00 Uhr
ITP-Rundbrief Nr. 55
Die 55. Ausgabe unseres Rundbriefes ist erschienen mit Beiträgen u.a. zu den Themen: 50 Jahre Befreiungstheologie, prophetische Intervention für eine Ökumene von unten, zur Sozialistin und Religionspädagogin Marie Veit und zur aktuellen politischen Situation in Chile.
Der Rundbrief-55 ist hier downloadbar und kann gedruckt gerne kostenfrei bei uns bestellt werden, auch um ihn an Interessierte weiterzugeben oder ihn auszulegen in Gemeinden, an der Uni und an anderen Orten.
Hoffend denken lernen – Für eine emanzipatorische Bildung
Workshop am 12.-14. November 2021
im Haus Wasserburg (Vallendar, bei Koblenz)
Während der Coronapandemie wurden viele gesellschaftliche Probleme wie durch ein Brennglas sichtbar, so auch die Krise in der Bildung. Wir möchten in unserem Workshop einen genaueren Blick auf diese Bildungskrise werfen, eine Krise, die laut breitem gesellschaftlichen Konsens durch Digitalisierung gelöst werden kann. Von welcher Bildung sprechen wir eigentlich? An diesem Wochenende wollen wir ausgehend von unterschiedlichen Konzepten einen kritischen Bildungsbegriff entwickeln. Hoffend denken lernen – Für eine emanzipatorische Bildung weiterlesen
Pablo Richard gestorben
Am 20.09. diesen Jahres verstarb der chilenische Befreiungstheologe Pablo Richard. Er war für das Institut für Theologie und Politik ein wichtiger theologischer Begleiter. Seine Forschungen zur Idolatrie, zum Götzendienst und zum fetischisierten Kapitalismus haben uns begleitet und zur diesjährigen Planung unserer Tagung „Kapitalismus als Religion“ geführt. Pablo Richard war 1971 Mitbegründer der chilenischen Bewegung der Christen für den Sozialismus und einer ihrer wichtigsten theologischen und politischen Mitglieder, 1998 nahm er an unserem Kongress „Neoliberalismus weltweit – 25 Jahre ‘Modell’ Chile (1973-1998)“ teil. Gemeinsam feierten wir damals voller Freude die Verhaftung des damaligen Diktators Pinochets in London. Am letzten Montag ist er gestorben.
Pablo – Presente!
Theorie und Praxis der Befreiung waren im Leben und Denken von Pablo Richard, der im Alter von 81 Jahren in San José, Costa Rica, starb, untrennbar miteinander verbunden.
Von Juan José Tamayo
Pablo Richard, einer der renommiertesten lateinamerikanischen Befreiungstheologen und Exegeten in Lateinamerika und weltweit, ist am Montag in San José de Costa Rica im Alter von 81 Jahren gestorben. Er hatte einen hervorragenden interdisziplinären Hintergrund, hatte Philosophie in Österreich, Theologie in Chile, Heilige Schrift am Biblischen Institut in Rom und an der Bibelschule in Jerusalem sowie Soziologie an der Sorbonne in Paris studiert, wo er 1978 mit einer Arbeit über den Tod des Christentums und die Geburt der Kirche promovierte, die seine weiteren Forschungen, seine befreienden politischen Optionen und seine kirchliche Praxis als Mitglied und Begleiter von Basisgemeinden prägte. Pablo Richard gestorben weiterlesen
Messianische Hoffnung an der Tagebaukante
Impuls von Julia Lis (ITP) zu Jes 9, 1-6 beim Gottesdienst mit einer internationalen Delegation von Arbeitergeschwistern am 03. September 2021 in Lützerath am Tagebau Garzweiler
Regelmäßig finden Dorspaziergänge und Gottesdienste der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ an der Tagebaukante und in den bedrohten Dörfern statt. Foto: Barbara Schnell
Der Text Jesaja 9, 1-6 ist ein adventlicher Text: die prophetische Verheißung der Ankunft eines Messias, mit der die Hoffnung auf neue Zeiten verknüpft ist: auf eine Herrschaftsform, die nicht mehr auf Ausbeutung, Ungleichheit und Ungerechtigkeit beruht, sondern auf Recht und Gerechtigkeit. Die Hoffnung auf solche neuen, anderen Zeiten, in denen das Recht nicht mehr die Profite der wenigen schützt, sondern Gerechtigkeit für alle schafft und fördert, verbindet uns heute mit den Menschen, die zur Zeiten des Propheten Jesaja lebten und Knechtschaft, Ausbeutung, den Terror der Militärs sowie Unterdrückung und Ungleichheit aus ihrer eigenen Alltagserfahrung kannten. Hier, in Lützerath, am Rande der Grube, mitten im Rheinischen Braunkohlerevier wo die Zerstörung so alltäglich, so sichtbar und spürbar ist und uns immer wieder verzweifeln lässt, spüren wir auch die Kraft dieser Sehnsucht danach, dass doch alles anders sein könnte: dass hier in den Dörfern die Häuser und Kirchen doch noch stehen bleiben, dass hier neues Leben einzieht, dass wir nicht einfach die Klimakatastrophe immer weiter vorantreiben, sondern dass eine Umkehr möglich wird, mit der eine radikale, d.h. von der Wurzel her gedachte Veränderung unserer ökonomischen und politischen Strukturen, aber auch unserer Kultur, unserer Beziehungen zueinander uns unserer Lebensweisen einhergeht. Messianische Hoffnung an der Tagebaukante weiterlesen
Marie Veits Werk in zwei Bänden
Marie Veit (1921-2004): Bibelwissenschaftlerin, Religionspädagogin, Sozialistin
Sie war 25 Jahre Lehrerin vor allem für Evangelische Religion an einem Mädchen-Gymnasium in Köln, 18 Jahre Professorin für Didaktik des Evangelischen Religionsunterrichtes an der Universität Gießen, Mitbegründerin des Politischen Nachtgebetes in Köln und der deutschen und niederländischen Sektion der Christen für den Sozialismus. Lebenslang war Marie Veit engagiert in christlichen Gruppen und Initiativen und in ihrer evangelischen Kirchengemeinde und der rheinischen Landeskirche sowie in unterschiedlichen linken Parteien. Ökumene und der Einsatz für eine sozialistische Alternative waren ihr ein Herzensanliegen.
Im ersten Band Gottes und der Menschen Genossin werden Stationen ihrer Biographie geschildert, er bietet eine komplette Werkbiographie und schließt mit Kapiteln zu Grundzügen der Theologie Marie Veits und einem biographischen Porträt. Am Beispiel einer auf Versöhnung bedachten streitbaren Theologin und Religionspädagogin wird so auch ein Stück Zeit- und Theologiegeschichte des 20. Jahrhunderts deutlich.
Das Geleitwort hat Fulbert Steffensky geschrieben, ein Mitstreiter und Mitglied des Freundeskreises von Marie Veit.
Der zweite Band enthält 41 Texte Marie Veits aus den Jahren 1972 bis 2000: Predigten und Meditationen, wissenschaftliche Aufsätze sowie Vortragsmanuskripte. Darunter finden sich auch fünf bisher unveröffentlichte Arbeiten. Die Texte sind chronologisch geordnet, sodass zeitgeschichtliche Zusammenhänge zwischen Texten unterschiedlicher Gattungen deutlich werden. Gemeinsam mit dem ersten Band zu Marie Veit – einer ausführlichen Werkbiographie und einer kompletten Bibliographie der Texte M. Veits – kann nun das Werk dieser bedeutenden Theologin, Religionspädagogin und Sozialistin neu erschlossen und gewürdigt werden. Marie Veits Werk in zwei Bänden weiterlesen
Der „Homo Hygienicus“ als Herausforderung christlicher Sozialethik
Ein Essay von Stefan Leibold, Dr. phil., Soziologe und Theologe, Münster
„Möglicherweise werden sich spätere Generationen fragen, wie der Homo Hygienicus so schnell Raum gewinnen konnte. Das Tempo seiner Gestaltwerdung ist tatsächlich atemberaubend und nur mit dem Aufsetzen auf den kapitalistisch bereits etablierten Homo Oeconomicus zu erklären. Wenn beide letztlich auf den Grundstrukturen der kapitalistischen Lebensweise beruhen, dürfte seine Überwindung nicht einfach sein.“
Der Philosoph Matthias Burchardt hat seit letztem Jahr mehrfach die Entstehung und Durchsetzung eines neuen Sozialtyps konstatiert, des sog. „Homo Hygienicus“. Die Herausbildung dieses Typs hat für ihn einschneidende Konsequenzen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft und verändert das Zusammenleben der Menschen, wie wir es kannten, auf dramatische Weise. Seine entsprechenden Ausführungen scheinen mir ausgesprochen plausibel und außerdem eine ernstzunehmende Herausforderung für die christliche Sozialethik zu sein. Daher möchte ich im Folgenden den Ansatz vorstellen und daran Gedanken zu seiner Bedeutung für die Sozialethik anknüpfen. Burchardt hat sein Konzept in mehreren Videos, einem Podcast und einem kurzen Artikel dargestellt. Diese wiederholen und ergänzen sich z.T., teilweise setzen sie verschiedene Akzente. Ich versuche, seine Positionen und Gedanken zu systematisieren und zusammenfassend zu skizzieren. Mir ist bewusst, dass dadurch eigene Schwerpunktsetzungen und Interpretationen unweigerlich in die Ausführungen mit hinein kommen, hoffe aber, dass ich seinen Grundintentionen gerecht werde. An einigen Stellen führe ich seine Gedankengänge auch weiter.1 Der „Homo Hygienicus“ als Herausforderung christlicher Sozialethik weiterlesen
Zum Tod von Luisa Toledo
„Man muss kämpfend sterben, was ist sonst der Sinn…? Was ist der Sinn, sich darauf einzulassen, wenn man auf halbem Wege stehen bleibt…?“
Luisa Toledo, ein Symbol des Kampfes gegen die Militärdiktatur, starb am 6. Juli 2021 in Santiago, Chile. Nach dem Putsch von 1973 begann Luisa für das Komitee zur Förderung der Zusammenarbeit für den Frieden zu arbeiten, dem Vorgänger des Vikariats der Solidarität und besser bekannt als das Pro-Friedenskomitee, das 1974 von den chilenischen Kirchen gegründet wurde, um den Opfern der Diktatur zu helfen. Als Sekretärin eines Anwaltes des Komitees transkribierte sie Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Chile.
Luisa und ihre Familie gehörten zur Gemeinde Cristo Liberador in Villa Francia, wo sie mit emblematischen Priestern im Kampf gegen die Militärdiktatur zusammenkamen, wie Mariano Puga, Roberto Bolton, Pierre Dubois und Alfonso Baeza. Die Gemeinde wurde in den ersten Jahren der Diktatur eine religiöse, soziale und politische Zuflucht.
Am 29. März 1985 wurden ihre Söhne Eduardo und Rafael, 20 und 18 Jahre alt, von Carabineros getötet. Seitdem und bis heute wird jedes Jahr am 29. März der „Tag des jungen Kämpfers“ im Land mit Protesten und Demonstrationen begangen.
Dreieinhalb Jahre später, am 5. November 1988, wurden ihr Sohn Pablo und Araceli Romo in Cerro Mariposas, in Temuco, durch eine Bombenexplosion tot aufgefunden. Luisa und ihr Mann Manuel Vergara wurden zu einer der Stimmen des Widerstandes gegen die Repression der Militärdiktatur. Zum Tod von Luisa Toledo weiterlesen