Pilar Puertas
Enrique Dussel, argentinisch-mexikanischer Philosoph, Historiker, Theologe und kritischer Denker und einer der größten linken Intellektuellen Lateinamerikas, ist am 5. November in Mexiko-Stadt gestorben.
Dussel wurde 1934 in der Provinz Mendoza, Argentinien, geboren. Er schloss 1957 sein Philosophiestudium an der Universidad Nacional del Cuyo ab. Er reiste nach Europa und promovierte an der Universität Complutense in Madrid. Zwei Jahre lang lebte er in Nazareth bei dem Theologen Paul Gauthier in einer Gemeinschaft palästinensischer Zimmerleute. Diese Erfahrung prägte ihn so sehr, dass er 1959 an einen Freund schrieb: „Eines Tages werden wir die Geschichte Lateinamerikas von der anderen Seite her schreiben müssen, von unten, von den Unterdrückten, von den Armen“. Enrique Dussel weiterlesen
Archiv der Kategorie: Allgemein
Israel – Gaza
Israel – Gaza
Michael Ramminger, 17.10.2023
Jetzt wird immer deutlicher, dass das eintritt, was vor einer Woche schon klar war, aber nicht gesagt werden durfte: Den schrecklichen Angriffen der Hamas auf Menschen in Israel folgen die schrecklichen Gegenangriffe der israelischen Armee auf Gaza. Die Spirale der Gewalt soll sich weiterdrehen und sie hat nicht erst letzte Woche begonnen. Sie trifft PalästinenserInnen und Israelis gleichermaßen. Während das Massaker der Hamas in Israel nach einigen Stunden vorbei war, geht das Sterben und Elend in Gaza weiter, und ein Ende ist nicht in Sicht.
Was dort jetzt geschieht, bewegt sich jenseits des Völkerrechts, jenseits von Kriegsrecht. Aber es bewegt sich ebenfalls jenseits der Menschlichkeit. Und jetzt höre ich sie schon, die Stimmen, die uns vorwerfen, die Gräueltaten der Hamas zu verharmlosen, nicht ausreichend zu thematisieren. Was auch immer alles hinter solchen Einwänden steckt: ob das heimliche Einverständnis mit Vergeltungsgedanken, der Versuch im Antisemitismusvorwurf gegen mahnende Stimmen zu verschleiern, dass auch die katastrophale Lage der PalästinenserInnen Teil der deutschen historischen Last des Faschismus sind … Die Reaktion der rechstextremen Kräfte in der israelischen Regierung und im Militär werden kein Problem lösen, sie wird es fortschreiben und verewigen. Israel – Gaza weiterlesen
Heute vor fünfzig Jahren: Die Kirche und der Putsch in Chile
Die Kirche und der Putsch*
Am 11.09. 1973, heute vor fünfzig Jahren putschte General Pinochet gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Systematisch wurden danach die politischen AktivistInnen ermordet (ca. 3000) und fast 30.000 Menschen wurden inhaftiert und gefoltert. Zwei Tage nach dem Putsch approbierte das permanente Komitee der Bischofskonferenz das Dokument „Fé cristiana y actuación política“ und brachte es am 26. Oktober in Umlauf. In ihm wurde erklärt, dass „kein Priester oder kein Ordensmann oder Ordensfrau dieser Bewegung (‚Christen für den Sozialimsus‛) angehören kann“. Heute vor fünfzig Jahren: Die Kirche und der Putsch in Chile weiterlesen
Franz Hinkelammert: ein letztes Adiós
Franz Hinkelammert, Ökonom und Theologe, geb. 1931 im westfälischen Emsdetten nahe Münster, ist im Alter von 92 Jahren in San José Costa Rica gestorben. Wir empfinden tiefe Trauer angesichts dieses letzten Adiós, zugleich aber eine immense Dankbarkeit für diesen schöpferischen Denker und Freund, der das Institut für Theologie und Politik von Beginn an begleitete. Wir danken ihm dafür, dass er die Anstrengung unseres eigenen Denkens durch seine Kreativität beflügelt und den Widerstand gegen die Diktatur der Alternativlosigkeit durch die Suche nach Alternativen hartnäckiger gemacht hat. Franz Hinkelammert: ein letztes Adiós weiterlesen
Broschüre „Es gibt nur eine Zeitenwende. Kleine theologische Anstöße“
„Es gibt nur eine Zeitenwende und das ist die Geburt des Messias. Wer das nicht begriffen hat, hat von der Weltgeschichte gar nichts begriffen!“
Dieser Satz von Renate Wind, wenige Wochen vor ihrem Tod am 9. Januar 2023, hat uns inspiriert, dem gegenwärtigen Diskurs zur Zeitenwende eine theologische Kritik entgegenzustellen.
In der kleinen Broschüre im DIN-A-6-Format kontrastieren wir die von den Regierenden vertretene Vorstellung von Zeitenwende mit Zitaten, die eine emanzipatorische und politisch-theologische Perspektive eröffnen. So wollen wir eine Selbstvergewisserung und eine klarere Sicht schaffen auf die herrschenden Verhältnisse und ihre vermeintlichen Sachzwänge und imperialen Logiken.
Die Broschüre kann bei uns gerne bestellt werden:
1 Ex. = 0,50 €, 25 Ex. = 10,00 €, 50 Ex. = 15,00 €, zuzüglich Versandkosten
Wir verweisen in diesem Zusammenhang gerne auch auf unseren Text „Krieg und Zeitenwende aus befreiungstheologischer-Perspektive“, der hier heruntergeladen werden kann.
ITP auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg 7.-11. Juni 2023
Auf dem Kirchentag wird das ITP neben der internationalen Podiumsveranstaltung „Frieden gibt es nicht auf dem Weg der Sicherheit“ (D. Bonhoeffer) zusammen mit der Rosa Luxemburg-Stiftung präsent sein mit einem eigenen Stand.
Dort werden wir kleine Diskussionsveranstaltungen zu folgenden Themen organisieren:
• Kirchenasyl: Subversive Praxis gegen das Grenzregime
• Feministische Theologie: Warum Gender-Theologie nicht das Ende der Feministischen Theologie ist
• Kritik an der Neoliberalisierung der EKD: Warum Segensbüros und Dienstleistungsgottesdienste das Ende der Nachfolge sind
• 50 Jahre Militärputsch in Chile – 50 Jahre ChristInnen für den Sozialismus in der BRD
Programm und Uhrzeiten der Veranstaltungen am Stand gibt es hier: Kirchentag_Standgespräche
Wir freuen uns sehr auf Besuche und Gespräche.
Ort: Messezentrum, Halle 4, Themenbereich 4: Gesellschaft und Bildung, Stand 4-D10
Außerdem rufen wir auf zur Friedensdemonstration während des Kirchentages am Samstag, 10. Juni, ab 13 Uhr auf dem Rosa-Luxemburg-Platz, Nürnberg. Der Aufruf ist hier abrufbar.
„Militarisierung und Aufrüstung sind ein Komplex, dem zu begegnen verlernt wurde“
Eine Diskussion über Antimilitarismus, Pazifismus, die Legitimität von revolutionärer Gewalt und die Rolle von Christ*innen im Kampf für eine andere Welt
Mit: Cristina Yurena Zerr und Jakob Frühmann, Autor*innen des Buches Brot und Gesetze brechen, Christlicher Antimilitarismus aus der Anklagebank (Mandelbaum-Verlag, Wien 2021) und Benedikt Kern und Julia Lis vom Institut für Theologie und Politik. Veröffentlicht am 11.03.2023.
Benedikt Kern: In eurem Buch „Brot und Gesetze brechen“ bezieht ihr euch auf die antimilitaristische Praxis von Christ*innen in der Pflugschar- und Catholic Worker-Bewegung. Diese Aktionen der Besetzung von Militärstützpunkten bis hin zu Sabotageaktionen und deren Erklärung vor Gerichten werden in eurem Buch auch als mystische Praxis und Bekenntnis beschrieben. Wie stehen hier aus eurer Sicht Mystik und Politik im Verhältnis zueinander? Steckt nicht in christlich-friedensbewegten Interventionen die Tendenz, dass es viel um Bekenntnis geht und wenig um Sabotage, die wirklich eine Unterbrechung des militaristischen Normalzustandes ist?
Jakob Frühmann: Ja, das stimmt teilweise. Wir haben uns auch die Frage nach der Effektivität solcher Aktionen, die teilweise starke Symbolkraft haben, aber nur sehr kleine materielle oder politische Auswirkungen, gestellt. Gleichzeitig ist es vielleicht auch wichtig, bei aller Verwegenheit und revolutionärer Sehnsucht bescheiden oder demütig zu bleiben und festzustellen: Radikal Position zu beziehen ist ein Anfang und schon schwer genug. Wer von uns traut sich auf eine Militärbasis einzubrechen? Was, wenn alle Christ:innen dieser Welt auch nur einen Bruchteil der christlichen Ethik ernst und ein paar Wochen Knast aufgrund ihres antimilitaristischen Zeugnisses auf sich nähmen? „Militarisierung und Aufrüstung sind ein Komplex, dem zu begegnen verlernt wurde“ weiterlesen
Jeder hat das Recht auf Empörung … lieber Herr Prof. Halík,
Antwort auf den Prager Theologen und Philosophen Prof. Tomáš Halík und seine Polemik gegen die Friedensdemonstration in Berlin vom 25.02.2023:
Jeder hat das Recht auf Empörung lieber Herr Prof. Halík, aber christliche PazifistInnen als nützliche Idioten zu diffamieren, ist absolut inakzeptabel. Eine solche Rede zeugt von einem Freund-Feind-Denken und von einem Bellizismus, der seit einem Jahr schon nicht in der Lage ist, diesen grausamen Krieg zu beenden. Immer mehr Waffen türmen sich auf, immer mehr Menschen sterben. Jeder hat das Recht auf Empörung … lieber Herr Prof. Halík, weiterlesen
„Den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt.“ ( 2 Tim 4,7) Zum Tode von Renate Wind
Am 9.Januar 2023 ist Renate Wind (geb.1950), emeritierte Professorin für biblische Theologie, nach einem Herzinfarkt in Heidelberg gestorben. Eine große politische Theologin und engagierte Pfarrerin, eine beispielgebende Friedenskämpferin (Christliche Friedenskonferenz – CFK u.a.m.) und auch eine bis zuletzt überzeugte Sozialistin ist uns vorangegangen „ins ewige Vaterhaus“. Im Angesicht des Todes versagt die exakte Wissenschaftssprache und wir nehmen gerne Zuflucht, wie auch hier, zu Metaphern, Bildern und Visionen. In beiden Sprachwelten war Renate Wind zu Hause und wusste diese auch souverän miteinander durch die Arbeit der Zuspitzung zu verknüpfen. Dies wird belegt durch den breiten Fächer ihrer Publikationen, die von bestechenden Biographien über einfallsreiche sozialgeschichtliche Bibelstudien bis hin zu pointierten politischen Interventionen reichen. „Den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt.“ ( 2 Tim 4,7) Zum Tode von Renate Wind weiterlesen
Lützerath zeigt, dass eine andere Welt nötig und möglich ist
Unter Einsatz massiver Polizeigewalt ist in den letzten Wochen das von Aktivist:innen besetzte Dorf Lützerath am Rande des rheinischen Tagebaus Garzweiler zunächst geräumt und dann zerstört worden, um auf Geheiß der Schwarz-Grünen NRW-Landesregierung in den nächsten Jahren dort Braunkohle zu fördern und klimaschädlich zu verfeuern.
Mit der ökumenischen Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ haben wir die Räumung hautnah miterlebt.
Es ist erschütternd, wie im Übergang vom fossilen zum nicht weniger gewaltförmigen grünen Kapitalismus die Zerstörung vorangetrieben wird, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken und damit Profitinteressen autoritär durchzusetzen. Tausende Menschen haben sich dem entgegengestellt und mit ihren vielfältigen Protestformen gezeigt, dass eine andere Welt nötig und möglich ist. Denn selbst wenn Lützerath nun dem Erdboden gleichgemacht ist, bleibt doch diese Erfahrung gemeinsam erlebter Solidarität – trotz allem Scheitern. Deshalb ist es nun wichtig, der Repression zu widerstehen und die von ihr betroffenen Menschen zu unterstützen.