Predigt von Cornelia Senne, ev. Theologin, im Gottesdienst von „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ in Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier
„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mt 27,46)
So klagte Jesus am Kreuz. Er war gefangen genommen, brutal gefoltert und gedemütigt worden. Er wurde ans Kreuz geschlagen, er hatte den sicheren Tod vor Augen. Kein „gnädiger“ Tod, sondern langsam, voller Schmerz und Leid.
Die christliche Tradition verehrt Jesus als Sohn Gottes, der um sein Schicksal wusste – und es freiwillig annahm. Aber selbst er fühlte sich in diesem Moment der größten Qual von Gott verlassen – einsam und hilflos.
Um wieviel mehr müssen wir Menschen uns von Gott verlassen fühlen, wenn wir angesichts einer Bedrohung verzweifeln – so wie wir es eingangs im Ps 22 hörten. Ein Mensch sieht sich umringt von Menschen, die ihm Böses wollen – und er hat nicht die Macht, dies zu ändern, es zu verhindern.
Heute, an Karfreitag, stehen wir wieder in Lützerath. Ein großer Teil des Dorfes steht nicht mehr, wurde zerstört und in eine Ödnis verwandelt – ebenso wie die angrenzende Landschaft bis hin zur Grubenkante. Dahinter gibt es nur noch das gewaltige Loch. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit standen hier noch Häuser, die große Walnuss und andere Bäume und Pflanzen. Die Bagger von RWE haben aus einem lebendigen Ort und aus fruchtbarer Erde ein gottverlassenes Grauen gemacht – wer Tolkin kennt, denkt direkt an Mordor, das lebensfeindlichen Dunkelland, in dem allein das Böse regiert. Karfreitag am Abgrund weiterlesen →