Archiv der Kategorie: Allgemein

Corona – Kirche und Gesellschaft in der Krise

Es gilt, die Unterbrechung zur Reflexion zu nutzen, anstatt gedankenlos zum „alten Normal“ zurückzukehren

Ein Text des Arbeitskreises Pastoral am Institut für Theologie und Politik, Dezember 2020
Vorbemerkung

Dieser Text ist das vorläufige Ergebnis eines längerfristigen, gemeinschaftlichen Reflexionsprozesses, der uns als Arbeitskreis Pastoral am ITP in Münster seit Beginn der „Corona-Krise“ beschäftigt hat. Wir haben versucht, die Entwicklungen, die mit dieser Pandemie sowohl kirchlich als auch gesellschaftlich einhergehen, kritisch in den Blick zu nehmen und daraus Handlungsimpulse für unsere Praxis in Kirchengemeinden, Verbänden und anderen Kontexten abzuleiten. Entstanden ist eine Art Grundsatzpapier, in dem wir viele der Perspektiven, die wir uns in den letzten Jahren als AK erarbeitet haben, im Brennglas der Corona-Krise bündeln konnten. Wir freuen uns, wenn es gelesen wird und zu einer Praxis beiträgt, die sich am Reich Gottes ausrichtet – gerade jetzt in Krisenzeiten! Corona – Kirche und Gesellschaft in der Krise weiterlesen

Künstliche Intelligenz oder kritische Vernunft? Online-Veranstaltung am 24. November um 19 Uhr

Der AK ReligionslehrerInnen am ITP lädt unter dem Titel „Künstliche Intelligenz oder kritische Vernunft. Wie Denken und Lernen durch die Digitalisierung grundlegend verändert werden“ am Dienstag, den 24. November um 19 Uhr ein zu einer Online-Diskussionsveranstaltung.
Die Coronakrise scheint nichts anderes dringender zu benötigen als die Digitalisierung der Schulen. Aber was steckt dahinter? In drei Schritten wollen wir das Thema diskutieren.

Teil 1: Digitalisierung in der aktuellen Schulrealität – Einblicke
Teil 2: Heilsversprechen Digitalisierung?
Teil 3: „Alles digital – aber wozu eigentlich?“ – Ein anderes Bildungsverständnis als notwendige Grundlage

Hier der Link zu der Veranstaltung auf dem Youtube-Channel Digital Radikal: https://youtu.be/D0TfZ2rAxC0

Fürchtet Euch nicht! Biblische Gedanken zu den Sonntagslesungen in der Coronazeit

Die hier von Bernd Ruhe und Isabelle Müller-Stewens vorgelegten und in Buchform veröffentlichten biblischen Gedanken zu den Sonntagslesungen und anderen kirchlichen Feiertagen (Lesejahr A) vom 1. Fastensonntag bis zum Fest unseres Kirchenpatrons Johannes der Täufer entstanden weitgehend in der Zeit des Lockdown während der Coronakrise, von der wir heute noch nicht wissen, wann und wie sie endet.

„Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt 17,7). Mit diesen Worten ermutigt Jesus die verunsicherten ihn begleitenden drei Jünger nach seiner Leidensankündigung und Verklärung den Weg mit ihm in eine ungewisse Zukunft nach Jerusalem weiterzugehen. Den Jüngerinnen und Jüngern Jesu erschloss sich sein Leben und Sterben erst im Rückblick, von der Auferstehung her.
Die durch Corona bestimmte Zeit, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beendet ist, stellt uns bis heute weiterhin vor eine ungewisse Zukunft, die vielen Menschen Sorgen bereitet. Umso wichtiger ist es, dass wir uns gegenseitig ermutigen, mit Hoffnung und Selbstvertrauen nach vorne zu schauen. Dabei gilt es, alle lebensförderlichen Möglichkeiten eines guten Zusammenlebens kreativ auszuschöpfen. Fürchtet Euch nicht! Biblische Gedanken zu den Sonntagslesungen in der Coronazeit weiterlesen

Bolivien hat gewählt – Ein Wahlsieg über Geld, Medienmacht und Großmachtpolitik

Norbert Arntz, Kleve

In Bolivien hat die „Bewegung für den Sozialismus“ (MAS), die Partei des vor einem Jahr durch einen Putsch aus dem Amt verjagten ehemaligen Präsidenten Evo Morales, einen überwältigenden Sieg errungen. Sie hat die Wahlen vom 18. Oktober gewonnen, obwohl die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), eine Art Kolonial-Ministerium der USA, nichts unversucht ließ, die Wahlen zu beeinflussen. Die MAS hat allen gegen sie gerichteten Mächten getrotzt. Die kleinen Leute von Bolivien hatten mit ihrer Weisheit verstanden, dass die MAS trotz aller Kritik, die man an der Bewegung üben konnte, eine Arbeit zugunsten der am stärksten vernachlässigten Bevölkerungsteile begonnen hatte. Deren Rechte hatte sie verteidigt und die Ressourcen Boliviens denen zugewendet, denen sie bisher verweigert wurden, jenen, die jahrhundertelang gedemütigt und geschmäht wurden. Bolivien hat gewählt – Ein Wahlsieg über Geld, Medienmacht und Großmachtpolitik weiterlesen

Kirchen in Chile brennen

Im Zusammenhang der wiederaufgenommenen Proteste gegen die aus der Diktatur stammende Verfassung und dem bevorstehenden Referendum am 25.10. sind in Santiago de Chile am 18.10. zwei Kirchen in Flammen aufgegangen. Für Regierung und große Teile der Presse Grund genug, die Protestierenden zu verurteilen und zwischen „friedlichen“ und „gewalttätigen“ Protestierenden  zu unterscheiden.

Folgendes blieb dabei unerwähnt: Eine der beiden Kirchen, die Kirche „San Francisco de Borja“, war die Kirche der Carabineros, also der Polizeiseelsorge. Die Carabineros in Chile sind bekannt für ihre unrühmliche Rolle während der Diktatur und ihre Gewalttätigkeit. Erst vor einigen Tagen stieß einer von ihnen willentlich einen Jugendlichen über die Brüstung einer Brücke sieben Meter hinab in die Tiefe. Kirchen in Chile brennen weiterlesen

Chile: Die Proteste gehen weiter

18. Oktober Das neue Chile entsteht und kämpft. Sonntag, 18.10.: Um das ganze Land zu übernehmen, schaufeln wir dem Neoliberalismus das Grab!

Die Proteste gegen die chilenische Regierung und die Verfassung, die im Frühjahr dieses Jahres von den Sozialen Bewegungen wegen Corona ausgesetzt worden waren, sind wieder aufgenommen: Sechs Tage vor dem Referendum, in dem nicht nur über eine neue Verfassung abgestimmt werden soll, sondern auch darüber, ob sie durch eine verfassungsgebende Versammlung entstehen soll, haben die Menschen die Proteste in den Armenvierteln und auf der Plaza de la Dignidad, dem „Platz der Würde“ in Santiago wieder aufgenommen. (Und warum wir über Chile berichten?)

La cebración total en Plaza de la Dignidad

Gepostet von Radio Plaza de la Dignidad Oficial am Sonntag, 18. Oktober 2020

Kirchen und Corona. Eine Kritik

Julia Lis / Michael Ramminger, Institut für Theologie und Politik, Münster

Als im März 2020 aus einer fernen Epidemie eine globale Pandemie wurde und das gesellschaftliche und öffentliche Leben weitgehend zum Stillstand kam, stellte sich für die gesellschaftlichen AkteurInnen plötzlich die Frage der Relevanz des eigenen Tuns mit neuer Dramatik. Die Herausforderung bestand und besteht darin, den gefährlichen und lebensbedrohenden Erreger ernst zu nehmen, ihn aber nicht medizinisch-technologisch isoliert zu betrachten. Stattdessen geht es darum, sozial und politisch einen kritischen Umgang mit den gesellschaftlichen Folgen der Pandemie zu finden und darin nach der Bedeutung des eigenen Tuns zu fragen. Die Bilanz, was Kirchen, Glaube und Religion in der Bundesrepublik Deutschland angeht, fiel dabei mehr als ernüchternd aus: Kaum jemand sprach ihnen eine besondere „Systemrelevanz“ (wobei „Systemrelevanz“ in diesem System eine durchaus zweifelhafte Auszeichnung ist!) zu, kaum jemand schien sie zu vermissen, als sich die Kirchen in den digitalen Raum verabschiedeten. Ostern? Absagen oder Verlegen. Gottesdienste? Dafür gibt es ja Live-Übertragungen für die wenigen, die nicht ohne können. Seelsorge? Diejenigen, die Bedarf haben, können ja eine Mail schreiben. Sakramente und rituelle Feiern? Können wir ja später nachholen.

Was so deutlich wurde: Die Kirchen haben auch für sich selbst keine befriedigende Antwort darauf, wofür sie in einer neoliberal-kapitalistischen Gesellschaft eigentlich noch relevant sein können, wieso und von wem sie genau hier noch gebraucht werden. Diese unbequemen Fragen, die am institutionellen Bestand rütteln, werden überdeckt vom Trott der eingefahrenen Aktivitäten und Traditionen, die meist unhinterfragt im Modus des „Das-haben-wir-doch-schon-immer-so-gemacht“ wiederholt werden. Als der gewohnte Lauf der Dinge aber zum Stehen kam, wurde sichtbar, wie wenig der eigenen Botschaft, Symbolsprache, der Bedeutung in und für die Welt eigentlich noch zugetraut wird. So werden auch da, wo man nach der Corona-Pause nicht gleich auf die gewohnte Weise weitermachen will, Stimmen laut, doch abzuwarten und zu schauen, wofür man noch gebraucht werde, für welche Angebote es auf dem religiösen Markt gerade überhaupt noch eine Nachfrage gebe.1

Die Unterwerfung unter den Kapitalismus

Die seit Beginn 2020 grassierende Pandemie hat somit deutlich gemacht, dass die Kirchen schon längst in der bürgerlichen Gesellschaft aufgegangen, und also auch in ihr untergegangen sind. Längst sind sie eben gerade nicht mehr die ideologischen Stützen der Gesellschaft, die dem Bestehenden Legitimität und Sinn verleihen. Die bürgerliche Gesellschaft schafft es mittlerweile auch ohne die Kirchen sich selbst zu erhalten.

Der vorauseilende Lockdown der Kirchen, der Verzicht auf öffentliche Gottesdienste wie auch jede andere Form gesellschaftlicher Präsenz war eine stille Apokalypse, nicht als Chaos und Untergang am Ende der Welt verstanden, sondern als Offenbarung des bestehenden Chaos: Sie offenbarte das, was eigentlich schon lange virulent war, dass die Kirchen nämlich nur noch eine bescheidene Nischenexistenz in unseren Gesellschaften innehaben und resignierend darum wissen. Kirchen und Corona. Eine Kritik weiterlesen

Boletín internacional 4 Octubre 2020

Instituto de Teología y Política (ITP)

Münster, Alemania

Estimads amigs del ITP,

En este número queremos abordar algunas consecuencias de la pandemia de coronavirus, que no sólo ha evidenciado las enormes desigualdades producidas por el sistema neoliberal, sino que se ha convertido también en una oportunidad para el avance del gran capital, lo que traerá consigo mayor exclusión y dominación. Nos centraremos en tres ámbitos de por sí conflictivos: educación, feminismo y migración. Boletín internacional 4 Octubre 2020 weiterlesen

Fratelli tutti – Einladung zu einer Liebe, die alle politischen und räumlichen Grenzen übersteigt. Die neue Enzyklika von Papst Franziskus

Michael Ramminger

„Fratelli Tutti“, an „alle Brüder und Schwestern“, wie in der deutschen Übersetzung steht, so heißt die zweite Enzyklika von Papst Franziskus, die am 03. Oktober am Grab von Franziskus von Assisi unterschrieben und veröffentlicht wurde. Es ist zugleich die zweite Sozialenzyklika neben der oft als Umweltenzyklika bezeichneten Laudato Si aus 2015, die sich auf gesellschaftliche Fragen bezieht. Enzykliken sind in der römisch-katholischen Kirche für alle Gläubigen verbindliche Lehrschreiben: ein Charakteristikum, das in Zeiten massiv bröckelnden Zusammenhalts und schwindender gesellschaftlicher Bedeutung der Kirche weltweit allerdings zunehmend an Relevanz verliert. Fratelli tutti – Einladung zu einer Liebe, die alle politischen und räumlichen Grenzen übersteigt. Die neue Enzyklika von Papst Franziskus weiterlesen

Zur Enzyklika Fratelli tutti – Über Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft

Die neue Enzyklika von Papst Franziskus ruft bei den Unheilspropheten der freien Marktwirtschaft aggressive

Funktionierende Marktwirtschaft in Chile

Beunruhigung hervor. Das sollte Franziskus zur Ehre gereichen. So sagte der Präsident des Münchner Ifo-instituts, Clemens Fuest, nicht nur, dass er enttäuscht von der „anti-marktwirtschaftlichen Ideologie und Fehleinschätzungen über Globalisierung und die Rolle Privateigentum“ sei. Ebenfalls ganz Lehramt schreibt er, der Papst irre hier und dort, und es sei ein Skandal, dass er nicht gegen den „Chavez-Maduro-Sozialimsus“ wettere.

Ähnlich schimpft auch Thomas Fuster, Volkswirtschaftler und

Redakteur der Neuen Züricher Zeitung auf die Enzyklika, auch wenn er etwas diffiziler zu Werke geht: „Vieles an den Anklagen wirkt wie eine Karikatur. Kein noch so überzeugter Kapitalist behauptet, der Markt löse alle Probleme. Selbstverständlich gibt es

Marktversagen, etwa in der Umweltpolitik, oder Fragen der Armutsbekämpfung…Entsprechend gefährlich ist es, bei der Schaffung einer «gerechteren Wirtschaft» primär auf den Staat zu setzen.“ Fuster wünscht sich, dass Franziskus von seinem Vorvorgänger, von Johannes Paul II lernen würde: dessen Antikommunismus und die Befürwortung der „Marktwirtschaft“ (Kapitalismus)

Norbert Arntz schreibt dazu in einem Leserbrief zum Interview mit Clemens Fuest:

Herr Fuest bringt in seinem Interview zur Papstenzyklika „“Über Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft“ seine marktliberale (besser markttheologische) Argumentation aggressiv gegen Papst Franziskus in Stellung. Aus der Glaubenskongregation des IFO-Instituts entzieht er dem Papst als „vorurteilsbesetzten“ „gefährlich“ „Irrenden“ die Lehrerlaubnis. Gegenüber dem vom Papst aufgezeigten gesellschaftlichen Problemkomplex tritt er auf die Kanzel seines Tempels, um moralisierend jeden einzelnen zu bepredigen:

„Wir alle sollten versuchen, mehr für andere da zu sein und zu tun. […] Wir alle sollten uns fragen, wie wir schwächere Menschen und Menschen in Schwierigkeiten behandeln und was wir für sie tun.“

Welcher Zynismus angesichts des Elends von Milliarden von Menschen und der Natur! Immerhin dient es der Einsicht in die realen Konflikte, dass in so wenigen Glaubens-Sätzen des Hohenpriesters Fuest die ideo-theologische Rechtfertigungslehre des Marktliberalismus aufscheint.

Mit freundlichen Grüßen