Frohes Neues Jahr!
Das Jahr 2018 wird aus befreiungstheologischer Sicht, ein sehr aufregendes. Es gibt zahlreiche Ereignisse und Personen zu erinnern – und zu aktualisieren. Hervorzuheben ist der 200. Geburtstag von Karl Marx (1818) sowie das 50 jährige Jubiläum des Treffens der lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Medellín (1968). Beides, die Marxsche Kapitalismuskritik und die kirchenpolitischen und theologischen Entscheidungen von Medellín finden sich auch gegenwärtig deutlich bei Papst Franziskus wieder. Der folgende Beitrag, der bereits Ende 2016 veröffentlicht wurde, geht auf diese Verbindung ein. In diesem Jahr werden zu dem Themenkomplex noch weitere Veranstaltungen, Workshops und Publikationen des ITP folgen. Insbesondere möchten wir auf den Katholikentag Plus, der dieses Jahr von Wir sind Kirche, der Leserinitiative Publik und dem ITP in Münster vom 10.-13. Mai veranstaltet wird, und auf das 25 jährige Jubiläum des ITP, das wir am 29./30. September feiern werden, hinweisen.
Der folgende Text wurde veröffentlicht in: Euangel. Zeitschrift für missionarische Pastoral 3/2016. https://www.euangel.de/ausgabe-3-2016/globale-herausforderungen/von-franziskus-zu-marx/ und steht als PDF unter der Rubrik „Texte“ zur Verfügung. Geitzhaus Von Franziskus zu Marx
Von Franziskus zu Marx
Zur Kapitalismuskritik in der Kirche des 21. Jahrhunderts
Von Philipp Geitzhaus
Einleitung
Im Juli 2015 lud Papst Franziskus VertreterInnen sozialer Bewegungen aus der ganzen Welt nach Bolivien ein, um mit ihnen über die Lage der Welt und die Themen, Hoffnungen und Probleme dieser Bewegungen zu diskutieren. Wie zu erwarten, verurteilte der Papst auch dort aufs Schärfste den Kapitalismus und er machte klar, dass es ihm dabei nicht um die Bekämpfung einzelner Probleme gehe, sondern er die Systemfrage stelle: „Wenn das Kapital sich in einen Götzen verwandelt und die Optionen der Menschen bestimmt, wenn die Geldgier das ganze sozio-ökonomische System bevormundet, zerrüttet es die Gesellschaft, verwirft es den Menschen, macht ihn zum Sklaven, zerstört die Brüderlichkeit unter den Menschen, bringt Völker gegeneinander auf und gefährdet – wie wir sehen – dieses unser gemeinsames Haus, die Schwester und Mutter Erde. […] Erkennen wir, dass dieses System die Logik des Gewinns um jeden Preis durchgesetzt hat, ohne an die soziale Ausschließung oder die Zerstörung der Natur zu denken? Wenn es so ist, dann beharre ich darauf – sagen wir es unerschrocken –: Wir wollen eine Veränderung, eine wirkliche Veränderung, eine Veränderung der Strukturen. Dieses System ist nicht mehr hinzunehmen; die Campesinos ertragen es nicht, die Arbeiter ertragen es nicht, die Gemeinschaften ertragen es nicht, die Völker ertragen es nicht … Und ebenso wenig erträgt es die Erde, ‚unsere Schwester, Mutter Erde‘, wie der heilige Franziskus sagte“ (Franziskus 2015). Und als Träger für diese Veränderungen nannte Papst Franziskus vor allem die sozialen Bewegungen.
Diese Sichtweise auf die gesellschaftlichen Verhältnisse sowie die Wahl der GesprächspartnerInnen ist ein kirchengeschichtliches Novum. Werden die meisten Bewegungen von den Regierungen doch meistens als Chaoten oder gar Terroristen diffamiert. Und genauso auffällig ist die Wahl des Analyseinstruments: Begriffe wie „Kapital“, „Götze“, „Sklaverei“ verknüpft man eher mit der Befreiungstheologie als mit einem Papst.
Die scharfe Kapitalismuskritik von Franziskus sowie seine Forderung nach einem Systemwechsel laden ein, über Alternativen nachzudenken bzw. sich mit Konzepten alternativer Ökonomien auseinanderzusetzen. Und insofern es sich bei Franziskus’ Analyseinstrument um ein – kirchlich gesehen – untypisches handelt, lohnt es sich auch hier, den Hintergrund seiner Kapitalismuskritik intensiver zu beleuchten.