Gestern, am Freitag, den 25.10. 2019 starb unser guter Freund Conrado Berning. Was soll man sagen, wenn ein guter Freund geht und eine Lücke hinterlässt, die alle schmerzt. Seine Familie, seine Freunde?
Conrad war katholischer Priester, er war Missionar bei den Steyler Missionaren. 1969 erhielt er die Priesterweihe und ging als SVD nach Brasilien. Es war eine Zeit, die sich wohl heutzutage niemand mehr vorstellen kann: Brasilien noch ein riesiger Dschungel und Regenwald, noch war nicht alles abgeholzt und für Soja, Zuckerrohr und Viehzucht gerodet, auch wenn die Militärdiktatur fleißig dabei war.
Die Kirche muss wohl, hört man auf Conrads Erzählungen, einigermaßen vorkonziliar gewesen sein, Sakramentenpastoral, Hauptsache Bekehrungen usw.
Aber Conrad hatte schon hier seine Leidenschaft mit nach Brasilien gebracht: „Es sind Super 8mm-Filmchen, Dick und Doof oder Ähnliches. Mit einem kleinen Stromaggregat und Bettlaken ist auch mitten im Wald schnell ein funktionsfähiges Kino eingerichtet. Film und Fernsehen ist diesen Neusiedlern vollkommen unbekannt, ebenso unbekannt wie die Landung des ersten Astronauten Armstrong auf dem Mond….“, so schreibt er in seinen Memoiren.
Das war eine seiner Leidenschaften: Das Filme-Machen. 1977 erhält er eine Einladung der brasilianischen Bischofskonferenz, eigentlich von Kardinal Ivo Lorscheiter, die Medienarbeit für die brasilianische Bischofskonferenz zu übernehmen, katechetische Diaserien und Filme zu produzieren. Conrado wird zu einer wichtigen Figur in dieser Medienarbeit, die zugleich mit seiner zweiten, unendlich tiefen Leidenschaft verbunden ist: dem Evangelium, der frohen Botschaft für die Armen und einfachen Leute. Conrad war kein Theologe, er war überzeugter Christ. Bis zum Schluss hat er von dieser Zeit der brasilianischen Kirche, der Befreiungstheologie und den Basisgemeinden mit leuchtenden Augen erzählt Vom einfachen Leben der Bischöfe, die so jede Distanz zu den Menschen auf der Straße abgelegt hatten, von den Basisgemeinden und ihrem Kampf gegen Diktatur und Ungerechtigkeit. Conrad war katholischer Priester, aber ihm war jede Form von Klerikalismus, liturgischem Pomp zuwider. Für all diese „Typen“ hatte er immer nur ein schelmisches Lachen über.
Sein filmisches Schaffen umfasste die Dokumentationen der Basisgemeindentreffen, Aktivitäten der Bischofskonferenzen; es entstehen unzählige Dokumentarfilme, meist Kurzfilme in 16mm und drei Langspielfilme für alternative Kinos in 35mm Kinoformat: „Gottes Volk auf dem Weg“ (Pé e fé na caminhada“) über die Befreiungstheologie, „Der schwarze Ring“ (die Bekehrung eines Reichen), und „Ameríndia“ (zum 500-Jahr-Gedenken der falschbenannten „Entdeckung“ Amerikas).
Mit der Kehrtwende der katholischen Kirche in den 80er Jahren verändert sich auch die katholische Kirche in Brasilien. Nicht mehr Befreiungstheologie, Bischöfe an der Seite der Armen machten das Bild der Kirche aus: Massenevangelisierung, Liturgie und traditioneller Klerikalismus bestimmten die Kirche mehr und mehr. Conrads Filme und seine christliche Überzeugung waren nicht mehr gefragt. Und deshalb entschloss er sich, zurück nach Deutschland zu gehen. Er hat darüber nie verbittert, das war nicht seine Art – aber doch mit entschiedenem Urteil gesprochen. So wie er auch über seine Situation hier in Deutschland und die Kirche hier gesprochen hat. Ich möchte ihn noch einmal selbst zu Wort kommen lassen:
„Mein Verhältnis zur Kirche hier gestaltete sich von Jahr zu Jahr schwieriger. Die Enttäuschungen wurden zu viele und zu groß. Als „Ex“ und zusammen mit meiner Frau (und zwei Kindern) ist man in der deutschen Kirche im Rahmen der bestehenden Strukturen nicht mehr gefragt. Noch schlimmer: nachdem ich einmal bei einer Firmung als Firmpate aufgetreten und auch zum Kommunionempfang gegangen war, hielt es der zelebrierende Weihbischof aus Münster einige Tage danach, als er mich traf, für angebracht, mich nach meiner genaueren Lebenssituation zu fragen. Er wollte wissen, ob wir kirchlich verheiratet seien. Ich daraufhin: „Nein, das geht ja nicht, ich bin ja Priester“. Es machte ihn stutzig, dass ich nicht den Laisierungsprozess unterschrieben hätte. Als ich ihm sagte, das Theater hätte ich mir nicht antun wollen, weil ich mit Leib und Seele Priester (gewesen) sei, antwortete er, dann könne er mir bei einer nächsten Gelegenheit leider nicht mehr die Kommunion reichen, ebenso auch nicht meiner Frau. Daraufhin antwortete ich nur noch: „In diese Verlegenheit werde ich sie sicher nicht mehr bringen, Herr Bischof, ich kann das auch selber“ -und verabschiedete mich.
Wir haben Conrad, Brigitte und seine Söhne erst vor einigen Jahren im Kontext der Konziliaren Versammlung 2012 kennengelernt. Über die wenigen wichtigen Dinge im Leben waren wir uns immer schnell einig: Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, immer von denen aus auf die Welt blicken, die am wenigsten haben. Sich von den Mächtigen nicht ins Boxhorn jagen lassen. Wir hätten so gerne noch viele Weihnachtsfeiern mit Churassco, Picanha und Glühwein mit ihm erlebt. Er war der Meister des Fleischschneidens, ein Christ, der auch uns im ITP Stärke gegeben hat: mit seiner unerschütterlichen Überzeugung davon, dass Christen an die Seite der Armen gehören, ohne Prunk und Mitra.
Er wird zuerst Brigitte und den beiden Jungs, auf die er so stolz war, fehlen. Er wird auch uns fehlen und doch immer bei uns bleiben.