Am 9.Januar 2023 ist Renate Wind (geb.1950), emeritierte Professorin für biblische Theologie, nach einem Herzinfarkt in Heidelberg gestorben. Eine große politische Theologin und engagierte Pfarrerin, eine beispielgebende Friedenskämpferin (Christliche Friedenskonferenz – CFK u.a.m.) und auch eine bis zuletzt überzeugte Sozialistin ist uns vorangegangen „ins ewige Vaterhaus“. Im Angesicht des Todes versagt die exakte Wissenschaftssprache und wir nehmen gerne Zuflucht, wie auch hier, zu Metaphern, Bildern und Visionen. In beiden Sprachwelten war Renate Wind zu Hause und wusste diese auch souverän miteinander durch die Arbeit der Zuspitzung zu verknüpfen. Dies wird belegt durch den breiten Fächer ihrer Publikationen, die von bestechenden Biographien über einfallsreiche sozialgeschichtliche Bibelstudien bis hin zu pointierten politischen Interventionen reichen.
Eine der schriftstellerischen Stärken von Renate war es, sich in „das Leben der anderen“ hineinzuversetzen und dieses kognitiv und emotional nacherleben zu können. Besonders hervorgehoben sei ihre renommierte Biographie zu Dietrich Bonhoeffer („Dem Rad in die Speichen fallen“), für die sie 1993 mit dem „Evangelischen Buchpreis“ ausgezeichnet wurde. Das große Echo, das diese Biographie auslöste, kann hier nicht wiedergegeben werden, wie ja ohnehin jedes Echo etwas verschluckt. Erinnert sei aber auch an ihr Buch über Dorothee Sölle („Grenzenlos glücklich – absolut furchtlos – immer in Schwierigkeiten“), in dem sie, gespiegelt in theologischen Brennpunkten, ein Porträt dieser einmaligen Frau und Theologin zeichnet. Lebens- und Denkgeschichte von D. Sölle werden, eine echte Besonderheit, abgerundet durch die Beigabe einer CD, welche eine musikalische Bearbeitung ihrer Lieblingslieder enthält. Zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist die gründlich recherchierte Biographie zu Camilo Torres, dem die 68er Generation begeisternden Priester und Guerillero („Bis zur letzten Konsequenz“).Um nicht aus der Ferne einer falschen Faszination zu erliegen, machte Renate Wind eigens eine Forschungsreise nach Kolumbien und schrieb danach erst ihr Buch. Es wäre schön, wenn heutige Autoren ihr hierin nachfolgten.
War Renate Wind eine feministische Theologin? Die Frage ist müßig, denn gerade ihre Arbeiten als biblische Theologin tragen eine eindeutige Signatur. Der Verweis auf ihr Kaiser-Taschenbuch: „Maria aus Nazareth, aus Bethanien, aus Magdala. Drei Frauengeschichten“ möge genügen. Ihren ausgezeichneten Ruf als biblische Didaktikerin und „Lehrerin“ kann man leicht nachvollziehen, wenn man „Befreiung buchstabieren. Basislektüre der Bibel“ (KT 137) zur Hand und ernst nimmt. Es gab eine Zeit, da erschien auch kein Sammelband zur sozialgeschichtlichen Auslegung der Bibel ohne einen Beitrag von Renate Wind. Tempi passati.
Für ihr politisches Engagement gibt es viele Belege im Schrifttum der entsprechenden Bewegungen und Organisationen. Vor allem bei den Veranstaltungen der CfK war sie, bis zu ihrer doch erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung vor zwei Jahren, regelmäßig als Referentin präsent. Sie liebte bis zuletzt das geschliffene Wort und die klare Positionierung. Zitiert sei von ihr eine Aussage aus den letzten Monaten, mit der sie ihrer Verärgerung über das geistlose Geschwätz zur sog „.Zeitenwende“ Luft machte: „Es gibt nur eine Zeitenwende und das ist die Geburt des Messias! Wer das nicht begriffen hat, hat von Weltgeschichte gar nichts begriffen!“
Dies ist kein üblicher Nachruf, den man den Freundinnen, Kolleginnen und Genossinnen in Treue widmet, sondern ein Aufruf, ein Weckruf an alle, die ihr auch nach dem Tod verbunden bleiben und sich gegen die drohende Finsternis der gültigen Weltordnung zur Wehr setzen.
Für das Institut für Theologie und Politik
Ihre Freunde Kuno Füssel u. Michael Ramminger