Heute vor dreißig Jahren, am 24. März 1980 wurde Oscar A. Romero erschossen, weil er sich deutlich gegen die herrschenden Militärs und die Gewalt gegen die Bevölkerung gestellt hatte.
Heute vor dreißig Jahren, am 24.03. 1980, wurde der salvadorianische Erzbischof Oscar A. Romero wegen seiner eindeutigen Haltung zur Repression in El Salvador während einer Messe erschossen. Kurz zuvor hatte er das Militär aufgerufen, die Gewalt gegen das Volk zu beenden. Auf die Ermordung Romeros folgte ein langer, blutiger Bürgerkrieg. Heute regiert mit Hilfe der traditionellen Befreiungsbewegung FMLN Präsident Funes. Zum dreißigsten Todestag Romeros gab es in El Salvador eine Reihe von Veranstaltungen, die mit dem traditionellen Marsch vom Ort der Ermordung Romeros zur Krypta der Kathedrale, in der er beigesetzt ist, endete.
Die Feierlichkeiten waren von zwei Themen bestimmt: Dem Heiligsprechungsprozess Romeros und der Haltung des gegenwärtigen Präsidenten Funes und seiner Regierung zum Erbe Romeros. Innerkirchlich scheint sich ein Konsens herausgebildet zu haben, dass der Heiligsprechungsprozess unterstützt wird. Was dies allerdings bedeutet, ist höchst umstritten. So werden in den konservativen Teilen der Kirchenhierarchie immer wieder Stimmen laut, die davor warnen, Romero zu politisieren, und die damit – so die Kritik anderer- Romero natürlich für ihre Zwecke politisieren.
Dieser Kampf um die Interpretation Romeros bezieht sich natürlich auch auf die Position Funes zu Romero. Von der Regierung wurde von verschiedenen Bewegungen gefordert, sich für die Ermordung Romeros zu entschuldigen – verbunden mit der Forderung nach einer nachdrücklichen und umfassenden Aufklärung aller Menschenrechtsverbrechen, Entschädigungszahlungen an die Opfer, Veröffentlichung der Menschenrechtsberichte der CIDH und Menschenrechtserziehung in Militär, Polizei und Politik.
Tatsächlich hat sich Präsident Funes entschuldigt. Allerdings nicht während des offiziellen Pontifikalamtes am 24.03.,auch nicht während der Abschlussmesse in der Krypta (wo er auch nicht anwesend war), sondern während der Einweihung eines Denkmals zu Ehren Romeros auf dem internationalen Flughafen von San Salvador – also einem politisch wenig wirksamen Ort: „Ich bitte um Vergebung für dieses Attentat, das vor 30 Jahren begangen wurde, ich bitte um Vergebung bei der Familie Romeros … auch beim salvadorianischen Volk, das immer die große Familie Romeros war und sein wird, ebenso bei den tausenden Familien, die von dieser Art von inakzeptabler Gewalt geschädigt wurden.“
Auf der Demonstration zur Krypta sah man Transparente: „Funes, Du darfst Romero nicht vereinnahmen!“ Eine ganz andere Art der Vereinnahmung Romeros und der Theologie der Befreiung durfte ich während der Abschlussmesse erleben. Zu meinem Erstaunen nahm Bischof Müller aus Regensburg an der Messe teil. Er, der gerade kurz zuvor den aktuellen Umgang der deutschen Presse, insbesondere des Spiegels mit der Nazi-Hetze gegen die katholische Kirche verglichen hatte (es lebe der Verfolgungsmythos!), und der die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche Deutschlands quasi nicht als substantielles Problem der Institution sieht. Was macht dieser Mann als Konzelebrant in dieser Messe? Auch das wohl eine Ambivalenz dieses Heiligsprechungsprozesses.
Und die Frage danach, was Romero heute bedeuten müsste – auch für die bundesdeutsche Kirche. Für die BRD wie für El Salvador gilt jedenfalls gleichermaßen: Je konkreter die Optionen und Forderungen einer Befreiungstheologie werden, umso deutlicher werden die Konflikte und notwendigen politischen und kirchenpolitischen Grenzziehungen.
Michael Ramminger