Zur aktuellen Finanzkrise haben wir hier einen kleinen Vorschlag: Schreiben Sie doch mal unserem Finanzminister einen Brief … Zum Beispiel so einen hier:
Außerdem folgende Informationen:
An die Wurzeln gehen! – Drei antikapitalistische Sofortmassnahmen Cédric Durand
Globale Soziale Rechte in Zeiten globaler kapitalistischer Krise
Werner Raetz
=============================================================
An die Wurzeln gehen!
Drei antikapitalistische Sofortmassnahmen
Cédric Durand
Der Kapitalismus hat seine eigene Art, den 160. Geburtstag des „Manifest der kommunistischen Partei“ von Marx und Engels zu feiern. Selbst wenn er bereits vor einem Jahr in eine Phase zugespitzter Turbulenzen eingetreten ist, befindet sich die Krise momentan erst an ihrem Beginn. Finanziell, wirtschaftlich, sozial, politisch und geopolitisch kann sie heute als eine globale Krise des neoliberalen Kapitalismus angesehen werden. Sie verlangt von den antikapitalistischen Kräften, dass sie ein Programm ausarbeiten, das auf der Höhe einer historischen Situation ist, in der sich die Linien außerordentlich schnell verschieben können. Damit die Debatte in Gang kommt, werden in diesem Text eine Reihe von Maßnahmen und Perspektiven um große Orientierungen herum vorgeschlagen.
1. Gegen die finanzielle Krise vorgehen und die Macht des Finanzsystems brechen
Auf kurze Sicht haben die Lohnabhängigen von einem Zusammenbruch des Finanzsystems nichts gewinnen, denn der würde das Ende des Kredites bedeuten. Und das Ende des Kredites bedeutet die Unmöglichkeit, die realen Aktivitäten der Produktion von Gütern und von Dienstleistungen zu finanzieren, also eine dramatische Beschleunigung der sozialen Krise. Es gibt daher keinen prinzipiellen Grund, sich der Rettung der Banken zu widersetzen. Andererseits muss sich die Auseinandersetzung auf die Bedingungen konzentrieren, unter denen diese Rettung durchgeführt werden soll. Die ins Straucheln geratenen Banken müssen unter öffentliche Kontrolle gebracht werden – ohne Entschädigung ihrer Aktionäre. Man muss auch die Öffnung der Geschäftsbücher aller Banken fordern, so dass eine wirksame öffentliche Kontrolle über den Bankbereich möglich ist.
Außerdem öffnet die Gesamtheit der Debatten, die sich um die Neuregulierung der Banken drehen, eine Bresche, der man sich nicht verschließen darf. Man darf sich nicht täuschen: Die Liberalisierung der Finanzen im Laufe der Jahre war eine Massenvernichtungswaffe gegen die sozialen Rechte und den öffentlichen Dienst. Umgekehrt würde eine Rücknahme der neoliberalen Maßnahmen eine wichtige Unterstützung für die Lohnabhängigen darstellen. Unter diesem Gesichtspunkt hat die langjährige Arbeit von Attac unter anderem gegen die Steueroasen oder für die Besteuerung der Finanztransaktionen eine größere Bedeutung als je zuvor. Es gibt eine Reihe von einzelnen Regelungsvorschlägen, die darauf abzielen, die Macht des Finanzsystems zu brechen und die Krise zu beenden.
Die Diskussionen sind oft etwas technisch, aber eine Maßnahme verdient es zweifellos, herausgestellt zu werden: die Abschaffung von Artikel 56 des Vertrages von Lissabon, der jede Einschränkung bezüglich des Kapitalverkehrs verbietet und dem Kapital eine wesentliche Handhabe bietet, um die Arbeitenden und die Gesellschaften gegeneinander in Konkurrenz zu bringen. Diese Maßnahme, die schon von mehr als 37.000 Personen unterstützt wird, die die Petition „Spekulation und Börsenkräche: Jetzt reicht es!“ (www.stop-finance.org) unterzeichnet haben, hat außerdem den Vorteil, dass sie europaweite Zusammenarbeit ermöglicht. Die Unabhängigkeit der Zentralbanken bildet ein weiteres Ziel, das wir ins Visier nehmen sollten: Nichts rechtfertigt, dass eine dermaßen wichtige Institution wie die für das Geld der gesellschaftlichen Kontrolle entrissen ist.
2. Einen sozialen Schutzwall gegen die Krise aufbauen
Nicht die Lohnabhängigen sollten die Krise bezahlen. Eine der grundlegenden Ursachen, die zum derzeitigen Debakel geführt hat, ist die Tatsache, dass ein zunehmender Teil des Reichtums in die Profite geflossen ist und dass er im Laufe der 25 letzten Jahre zum größten Teil als Aktiengewinn ausgeschüttet worden ist. Um die Lohnempfängerinnen gegen die Folgen der Krise zu schützen, müssen die Antworten also in die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit eingreifen. Das impliziert zuerst, nicht auf unsere Sofortforderungen zu verzichten, insbesondere auf die Lohnerhöhungen, auf das Anrecht auf eine Wohnung oder auch nach einem Nulltarif für die öffentlichen Verkehrsmittel.
Präziser können zwei Maßnahmen vorgebracht werden. Erstens die Einführung einer Sonderabgabe auf die Dividenden, die in einen Ausgleichsfonds unter Kontrolle der LohnempfängerInnen eingezahlt wird. Dieser Fonds, dessen Verwendung demokratisch erörtert werden müsste, könnte zum Beispiel das Verbot der Entlassungen finanzieren, indem er die Einkommen der Arbeitslosen sichern würde.
Zweitens könnte man die Kaufkraft der LohnempfängerInnen garantieren, indem man die öffentlichen Beihilfen für die Unternehmen zurückzieht, die diese Sicherung ablehnen würden. Solche Maßnahmen erlauben es, die Krise durch die bezahlen zu lassen, die dafür verantwortlich sind, wobei zugleich die Grundlagen für eine Umverteilung der Reichtümer gelegt werden.
Über diese dringenden Maßnahmen hinaus erfordert ein echter sozialer Schutzwall eine Gegenoffensive insbesondere in den Bereichen der Gesundheit und der Pensionen. Für die Pensionen ist es offensichtlich: Im Grunde gibt es kein Finanzierungsproblem; die Verlängerung der Beitragsdauer ist also nur eine List, die darauf abzielt, das System nach dem Umlageverfahren zu schwächen. Dies geschieht, indem der Umfang der real ausgezahlten Pensionen vermindert wird, denn es wird immer schwieriger, eine vollständige Beitragsdauer zu erreichen. Infolgedessen werden jene, die es sich leisten können, dazu gebracht, eine kapitalgestützte Rentenversicherung zu erwerben. Aber die Krise des Finanzsystems enthüllt das beträchtliche Risiko, dem die LohnempfängerInnen ausgesetzt sind, deren Altersversorgung von den Pensionsfonds abhängt. In den Vereinigten Staaten werden Millionen Personen die Opfer dieses Systems. Man muss auch im Gesundheitswesen handeln, indem alle Maßnahmen wieder rückgängig gemacht werden, die den Zugang zu der Gesundheitsversorgung immer kostspieliger gemacht haben (Eigenanteil für Medikamente, Kürzung bei der Erstattung von Medikamenten- und Behandlungskosten durch die Sozialversicherung, Anhebung des Eigenanteils für die Behandlung…). Die Rentensicherung und der freie Zugang zum Gesundheitssystem sind nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch ein Mittel, die Krise zu bewältigen: Die Unsicherheit der Lohnempfänger über ihre Zukunft wird reduziert, damit werden auch die sofortigen Einbrüche begrenzt, die durch einen Konsumrückgang ausgelöst werden.
Schließlich muss auch auf dem lokalen Niveau ein sozialer Schutzwall errichtet werden, durch die Selbstverteidigung der LohnempfängerInnen und der lokalen Gemeinschaften: Gegen die Entlassungen muss man Unternehmen für Unternehmen die Öffnung der Geschäftsbücher fordern, um aufzuzeigen, dass es möglich ist, die Arbeitsplätze zu erhalten. Und warum sollten es die Lohnabhängigen nicht machen wie die von Lip im Jahre 1974 oder die von der Continental-Fabrik in Guadalajara in Mexiko 2005 oder die von zahlreichen Fabriken in Argentinien nach der Krise von 2001, wo die Lohnabhängigen ihre Betriebe übernommen und weitergeführt haben?
3. Ökologie und soziale Frage verbinden: eine demokratische Investitionskontrolle
Über die Maßnahmen zur unmittelbaren Verteidigung der LohnempfängerInnen und der Gegenoffensive gegen die Macht des Finanzkapitals hinaus schafft die Krise eine gute Gelegenheit für die Gegner des Kapitalismus, ihr Gesellschaftsprojekt ausführlicher darzustellen. Alles dreht sich darum, von einer abstrakten Propaganda über die Übel des Kapitalismus und die notwendige Sozialisierung der Produktionsmittel hinaus zu konkreten Losungen zu kommen. Dabei kann man sich in der derzeitigen Lage auf zwei Elemente stützen.
Erster Punkt: Wozu dienen die Finanzen, wenn nicht – nach viel Umwegen und Spekulationen – dazu, das Kapital neu zu investieren? Heute ist die Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit, die allein nach dem Kriterium des maximalen Gewinns ausgerichtet ist, in Krise. Man braucht also einen anderen Steuermechanismus der Wirtschaftstätigkeit.
Zweiter Punkt: Der Planet und die menschlichen Gesellschaften stehen heute wegen der Profitorientierung der Wirtschaftsentwicklung, die mit einer erschreckenden Geschwindigkeit das Ökosystem zerstört und extreme Ungleichheiten produziert, am Rand des Abgrunds.
All das erfordert eine andere Orientierung der Wirtschaftstätigkeit. Da das kapitalistische Finanzsystem auf doppelte Weise bei der Lenkung der Investitionen versagt hat, müssen alle Banken in einen öffentlichen Pool der Finanzierung der Wirtschaft integriert werden. Aber dieser öffentliche Pool darf nicht eine einfache Krücke im Dienst des Kapitals sein. Er muss von einem demokratischen Prozess begleitet werden, so dass die großen Leitlinien der Wirtschaftstätigkeit demokratisch geplant und beschlossen werden, entsprechend den sozialen Bedürfnissen und um einen Übergang zu einer Entwicklung einzuleiten, bei der die Biosphäre respektiert wird.
Indem die Losung von „Generalständen der Investitionen für Ökologie und Gleichheit“ in die Diskussion eingebracht wird, kann eine Verbindung zwischen der Finanzkrise und dem Ökosozialismus erreicht werden. Das ist eine lebendige Art, dem „Manifest der kommunistischen Partei“ die besten Geburtstagswünsche auszurichten!
Aus dem Französischen übersetzt von Klaus Meier und Friedrich Dorn.
Aus: Rouge , Nr. 2269, 9. Oktober 2008, http://orta.dynalias.org/archivesrouge/article-rouge?id=8676
und:
<meta name=“GENERATOR“ content=“OpenOffice.org 2.3 (Win32)“ /><br /> <mce:style type=“text/css“><!– @page { size: 21cm 29.7cm; margin: 2cm } P { margin-bottom: 0.21cm } –></mce:style><style type=“text/css“ _mce_bogus=“1″><!– @page { size: 21cm 29.7cm; margin: 2cm } P { margin-bottom: 0.21cm } –></style> <h2 style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“><strong>Globale Soziale Rechte in Zeiten globaler kapitalistischer Krise</strong></h2> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Werner Raetz</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Der Kern des Konzepts Globaler Sozialer Rechte liegt darin, dass man Rechte nicht nur haben, sondern auch kriegen muss. Insofern handelt es sich um den Versuch, der anderen Welt, die möglich ist, unseren Alternativen also, schon jetzt ein Bild, ein Gesicht zu geben, indem wir positiv bestimmen, was das denn wäre, was uns und allen ganz konkret ein gutes Leben ermöglichen würde. Globale Soziale Rechte nehmen somit ein wenig den Platz ein, den einmal der Sozialismus hatte: KeineR weiß so ganz genau, was es ist (und wer es doch zu wissen vorgibt, macht sich des Dogmatismus verdächtig), aber alle finden’s gut.</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Das ermöglicht es, in mehrerlei Hinsicht über Widersprüchlichkeiten hinweg zusammenzukommen. Die Differenzen politischer Strömungen der Linken müssen nicht ausdiskutiert und geklärt werden, ehe unter einem solchen Konzept gemeinsame Forderungen und Aktionen möglich werden. Wir können die z. T. gegensätzlichen Interessen der Beteiligten, etwa von Illegalisierten und regulär Beschäftigten, erst einmal stehen lassen und uns auf ein gemeinsames Drittes beziehen. Globale Soziale Rechte nehmen ausdrücklich die Notwendigkeit des Nord-Süd-Ausgleichs in den Blick und vor allem betonen sie die Notwendigkeit, sich die Rechte, die man nicht bekommt, auch tatsächlich zu nehmen. Aneignung ist also ein ganz zentrales Moment eines solchen Konzepts.</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Wie das funktioniert, zeigen uns gerade die Banken, Versicherungen und ähnliche kriminelle Vereinigungen. „Eine kleine Bank“, sagte einmal jemand, „kann man pleite gehen lassen. Eine große, an der das ganze System hängt, kann man nicht pleite gehen lassen, weil dann alles zusammenbrechen würde.“ Genau so funktioniert Aneignung und warum machen wir das eigentlich nicht auch so? Wenn erst einmal massenhaft die Leute sich holen würden, was sie brauchen, wäre Politik ein anderes Spiel. An dieser Stelle muss man dann einiges zur aktuellen Krise sagen.</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Und das heißt als erstes, sich bewusst zu machen, wo und wie das Ganze beginnt. Die Standardfolklore ist, dass es eine Krise des Finanzkapitals ist und dass sie im Bankensektor ausgebrochen sei. Das ist beides nur auf den ersten Blick richtig, wenn man die Oberflächenerscheinungen des aktuellen Geschehens anschaut. Tatsächlich beginnt das Ganze viel früher und wir haben es in attac auch letztlich immer so analysiert. Dafür müssen wir zurück in die erste Hälfte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Im Ölpreisschock wurde das erste große Symptom der aktuellen Krise sichtbar. Die ölproduzierenden Länder hatten durch die Preiserhöhung sehr viel Geld zur Verfügung und suchten profitable Anlage dafür. Der Schah von Persien etwa wollte 300 Mio. Ecu, also Europäische Rechnungseinheiten, in etwa das, was heute der Euro ist, damals eins zu eins in Relation zum Dollar, bei Krupp investieren und stellte fest, dass der ganze Laden so viel nicht wert ist. Damit war das wirklich dringende und drängende Problem offenbar: Wohin mit dem vielen Geld?!</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Die ganze Geschichte des Neoliberalismus ist von da an die Geschichte der Beantwortung dieser Frage: Was macht man mit riesigen Geldsummen, die sich nicht mehr in Kapital verwandeln lassen? Die haben damals Antworten gesucht und gefunden, die bis heute die Struktur der Weltwirtschaft prägen. Darauf komme ich zurück, vorher muss etwas Grundsätzliches geklärt werden.</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Kapitalismus besteht im Kern darin, dass jemand Geld in ein Geschäft steckt und es nach Abschluss des Ganzen als mehr Geld zurückerhält. Dieses „Mehr“ ist das treibende, wenn nicht das einzige Motiv für wirtschaftliches Handeln im Kapitalismus. Damit es gelingt, sind bestimmte Voraussetzungen nötig. Marx hat im zweiten Band des Kapitals versucht darzulegen, wie dieser Reproduktionsprozess des Kapitals funktioniert, Rosa Luxemburg hat in „Die Akkumulation des Kapitals“ Probleme und Schwächen der marxschen Schemata bearbeitet. Aus beidem wird deutlich, dass ein Mehr-Werden des Kapitals, seine „Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter“, wie Marx das nennt, nur möglich ist, wenn die Instrumente, also die Produktionsmittel, mit denen in der nächsten Produktionsperiode das Wachstum realisiert werden soll, schon in der laufenden Periode hergestellt werden. Damit steht denen aber erst einmal keine Nachfrage gegenüber. Diese Nachfrage entsteht erst im kommenden Produktionszyklus – wenn der ganze Prozess gelingt. Gelingt er nicht, sitzen die kapitalistischen Produzenten auf ihren Produkten. Das ist ein systemischer Prozess, der wesentlich an der regelmäßigen Wiederkehr von Krisen im Kapitalismus beteiligt ist. Er ist prinzipiell in zwei Richtungen auflösbar, entweder indem Kapital vernichtet wird oder indem neue Nachfrage geschaffen wird. Beides wird regelmäßig gemacht.</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>In den sechziger, siebziger Jahren nun nimmt dieser Prozess eine neue Qualität an: Der Überhang an akkumuliertem Kapital wird so groß, dass weder Vernichtung noch künstlich geschaffene Nachfrage mehr ausreichen, ihn profitabel unterzubringen. Damit hat das Kapital seine spezielle Funktion verloren, es trägt keinen Profit mehr und ist zum bloßen Geld, zum reinen Schatz geworden. Und das ist der kapitalistische GAU. Dafür müssen Lösungen her. Sie wurden in den siebziger Jahren in verschiedene Richtungen gesucht, die dauerhaft erfolgreichsten bestanden darin, das überschüssige Geld in fiktives Kapital zu verwandeln.</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Fiktives Kapital ist solches, das mehr wird, ohne zwischendurch den Weg durch die Produktion von Waren zu gehen, das heißt man leiht sein Geld einem Anderen, der es mit Zinsen zurückzahlen muss, ohne dass er diese Zinsen durch die Schaffung von neuem Wert verdienen könnte. Als Kreditnehmer traten damals erst einmal die Regierungen des Südens auf, die ihre Länder innerhalb kürzester Zeit in die erste Schuldenkrise trieben – 1982 war Mexiko pleite. Zweitens dehnte man die Funktion der Finanzmärkte so aus, dass dort immer mehr angebliche „Produkte“ handelbar wurden, die monetäre Ansprüche generierten, die erst einmal durch nichts gedeckt waren und sind. Wenn aus diesen Ansprüchen reale Zahlungen werden sollen, dann muss jemand sie begleichen. Das übernehmen oft die Staaten, die damit in eine immense Verschuldung geraten – alleine in den USA gegenwärtig ohne die Auswirkungen der aktuellen Krise über 10 Billionen $. Aber auch Private spielen dabei eine Rolle, wie die Hypothekenkrise in den USA deutlich macht. Und auch für die Staatsverschuldung müssen letztlich die Menschen geradestehen, der Abbau des Sozialen, der Ausverkauf der öffentlichen Güter, die Zerstörung der Infrastruktur sprechen eine beredte Sprache.</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Wenn man sich bewusst macht, dass dieser Prozess – überschüssige Produktion, der keine Nachfrage gegenübersteht und durch Schulden finanzierte Generierung von Ansprüchen – systematisch in der Struktur des Kapitalismus angelegt ist, dann es Unsinn, von so etwas wie einer „eigentlichen“ Funktion der Finanzmärkte zu sprechen. Was stimmt, ist, dass in Zeiten keynesianischer Regulierung Finanzmärkte im Wesentlichen Kredite für die Produktion zur Verfügung stellten. Heute sind sie der Ort, wo die Profitraten vorgegeben werden, die jedes Kapital versucht zu erzielen, und die damit die so genannte Realwirtschaft prägen. Die auf den Finanzmärkten zirkulierenden Summen sind in dieser Realwirtschaft entstanden und ihre Vernichtung betrifft auch diese. Die Geschichte des modernen Finanzkapitalismus oder wenn man so will des Neoliberalismus ist die Geschichte davon, wie der Ausbruch der Krise von Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre bis heute verschoben wurde. Das mag noch einmal für ein paar Jahre gelingen oder es kann auch schon dieses Mal das ganze Gebäude zusammenstürzen, vermeidbar ist der Zusammensturz nicht.</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Das wissen auch die neoliberalen Regulierer. Sie stehen heute ebenso fassungslos vor dem Versagen ihres Regulationsmodells wie damals die Keynesianer vor dem des ihren und wer heute nicht stur „weiter so“ oder geschichtsblind „zurück zu Keynes“ ruft, empfiehlt durchwurschteln. Das aber geht nicht mehr. Tiefere, genauere Fragen sind angesagt, viel weiter gehende Brüche müssen angefasst werden. Attac muss und kann keine linksradikale Organisation werden, aber auch wir müssen Konsequenzen daraus ziehen, dass der Kapitalismus ein zutiefst krisenhaftes System ist, das nicht dauerhaft beherrschbar und regulierbar ist.</p> <p style=“margin-bottom: 0cm“ _mce_style=“margin-bottom: 0cm;“>Für den Augenblick heißt das Folgendes:</p> <ol> <li>Die Bemühungen aller Regierungen weltweit laufen auf die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Systems hinaus. Dabei soll der Staat eine entscheidende Rolle spielen, indem er Profite nicht nur sichert, sondern ihre Bezahlung direkt organisiert. Ein solches System kann nur gewaltsam funktionieren, Weltordnungskrieg ist sein integraler Bestandteil. Deshalb sind die Aktionen gegen das Instrument dieses Krieges, die Nato, im kommenden April in Straßburg und Kehl ein zentrales Ereignis, zu dem wir breit mobilisieren müssen.</li> <li>Selbst wenn ein neues, selbsttragendes Wachstum des kapitalistischen Systems möglich wäre – was ich bezweifle – dann wäre es angesichts von peak oil, Klimakatastrophe und Agrarexportmodell der industrialisierten Landwirtschaft nichts, was wir wollen könnten. Die Ökologiefrage erzwingt Lösungen außerhalb der Wachstumsdynamik.</li> <li>Es ist nicht falsch, das Funktionieren der Ökonomie sicherzustellen – ohne funktionierendes Geld und arbeitsteilige Wirtschaft ist unser aller tägliches Leben in Frage gestellt. Deshalb sind auch unsere bisherigen Regulierungsvorschläge nicht falsch, aber sie allein reichen nicht aus. Eingriffe in den ökonomischen Ablauf müssen auch and der Stelle ansetzen, wo die Krise ihre Ursachen hat, sie müssen also antisystemischen Charakter haben, auch wenn klar ist, dass sie den Kapitalismus heute nicht abschaffen werden. Zentraler Punkt für eine solche Intervention ist die Garantie des Sozialen. So wie Merkel sagt, wir garantieren die Sparguthaben, so müssen wir sagen, wir wollen eine Garantie der gesamten gesellschaftlichen Infrastruktur und der öffentlichen Daseinsvorsorge. Und wir wollen sie aus dem bestehenden und immer wieder neu geschaffenen Reichtum, ehe er in die Hände von Anlegern und auf die Finanzmärkte wandert: Aus allen Einkommen und vor allem allen Unternehmensgewinnen muss eine umfassende materielle Sicherung für alle gewährleistet werden. Das muss jetzt geschehen. Und dafür ist es sicher hilfreich, wenn wir Wege finden, wie massenhafte Aneignung des Nötigen praktiziert werden könnte. Ich habe keine Vorschläge, wie das genau zu machen wäre, darüber müssen wir miteinander und mit vielen reden, aber wir sollten von den Banken lernen und unsere Ansprüche nicht zu bescheiden gestalten!</li> </ol>