Das zugerichtete Subjekt lässt grüßen

Stellungnahme des Arbeitskreises Religionslehrer*innen am ITP zum digitalisierten Distanzunterricht

Am 26.01.2024 veröffentlichte das NRW-Schulministerium per Pressemitteilung den Plan, die Ausbildungs- und Prüfungsordnung an den Berufskollegs zu ändern. Darin soll festgeschrieben werden, dass die „Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht in synchroner und digitaler Form unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft ermöglicht werden soll.“

Damit soll eine Bildung auf der „Höhe der Zeit“ gewährleistet werden, so der Wortlaut. Weiter heißt es, es biete die Chance, innovative Lehr- und Lernformen umzusetzen. Zudem würde dies den Wünschen vieler Ausbildungsbetriebe entsprechen, weil die Fahrzeiten für die Schüler*innen zu den Schulen reduziert werden könnten. Im Großen und Ganzen betrachtet, würden junge Menschen in NRW somit eine moderne berufliche Bildung erhalten, so Ministerin Feller.

Beim Lesen der Mitteilung fallen der geneigten Lehrer*in mehrere Aspekte negativ auf: Bildung wird hier völlig inhaltsleer und nur nach formalen Gesichtspunkten beschrieben. Welche Inhalte sollen denn überhaupt digital unterrichtet werden, bedeutet „modern“ in diesem Kontext ausschließlich „digital“? Das zugerichtete Subjekt lässt grüßen weiterlesen

Nachruf auf Ruth Schlette

Am Freitag, den 26. Januar 2024, verstarb unsere langjährige Freundin und treue Unterstützerin Ruth Schlette in Bonn. Bis zu ihrem Lebensende wollte sie mit uns im Kontakt stehen, solidarisch sein und die Welt begreifen.

Sie repräsentiert eine Generation (geb.1933 im Allgäu) , die als Kinder die Grauen des Krieges erlebten, in der Studierendenbewegung sich maßgeblich politisierten und Zeit ihres Lebens an den Grundfesten ihrer Gesellschaftskritik festhielten. Den Grundstein dafür hat vermutlich auch ihre Bildung in einem Internat der Benediktinerinnen gelegt, denn sie hat offensiv ihre links-christlich theologische Verankerung vertreten. Dies war unsere Verbindung zu ihr, zu ihrem Engagement und ihrer Unterstützung der Chile-Solidaritätsarbeit in den 1980er Jahren, aber auch befreiungstheologisch inspirierter Hochschulpolitik in der Studierendengemeinde in Münster. Nachruf auf Ruth Schlette weiterlesen

Seminar: Pädagogik der Leere

5.-7. April 2024: Seminar des Arbeitskreises Religionslehrer*innen am ITP zur „Pädagogik der Leere“ im Haus Wasserburg in Vallendar (Rheinland-Pfalz)

Das Schuljahr, die Schulstunde ist minutiös geplant. Zielorientierung ist das A und O. Selbst für die Pause, also die Zeit am Kopierer, werden uns Entspannungsübungen empfohlen, um die Zeit zu „nutzen“. Auch unsere politischen Ziele und Hoffnungen scheinen in der Praxis schnell nach einer Konkretisierung zu rufen. Gerne würden wir mit mehr Ergebnis handeln, Ziele erreichen, die Welt verändern. Wir glauben, um die Welt wirklich zu verändern, braucht es nicht noch mehr Druck und Katastrophismus, sondern Zeit für eine Unterbrechung, für einen freien Raum ohne Unterwerfung unter die gegebene Ordnung. Wir brauchen Zeit und Muße für die Erfahrung dessen, was das ganz Andere sein könnte. Diesen leeren Raum wollen wir mit euch aus verschiedenen Richtungen umkreisen: Wir befragen Ansätze aus der feministischen Psychoanalyse und der Kritischen Theorie sowie Texte von Autor*innen wie etwa Simone Weil und Franz Kafka und diskutieren darüber. Pädagogik der Leere? Ein Versuch. Seminar: Pädagogik der Leere weiterlesen

Europäisches Grenzregime: Aufruf zu einer gemeinsamen subversiven Praxis

Vortrag am Freitag, 19. Januar 2024, 18.30 Uhr

Bundeshaus, Bundesstrasse 13, 6005 Luzern

Die Brutalisierung an den Außengrenzen Europas und die gewaltförmigen Asylrechtsverschärfungen im Innern machen eine Praxis zur Durchsetzung von Bewegungsfreiheit und die Einhaltung fundamentaler Menschenrechte für Geflüchtete immer schwerer. Wie kann in dieser Situation der Schwäche der antirassistischen Bewegungen und der kirchlichen Akteur:innen Solidarität möglich werden? Wie können wir allen Rückschlägen in den letzten Jahren zum Trotz subversive Praktiken über Grenzen hinweg und wenn nötig auch jenseits des Legalen entwickeln, die nach den Lücken in den tödlichen Stacheldrahtzäunen suchen? Wie können wir in der gegenwärtigen Situation im Blick auf Migration und die damit verbundenen Kämpfe eine Perspektive gewinnen, die an der Möglichkeit eines guten Lebens für alle festhält?

Referent:innen des Vortrags sind die beiden Theolog:innen Benedikt Kern und Julia Lis vom Institut für Theologie und Politik in Münster (BRD). Sie arbeiten politisch-theologisch unter anderem an den Fragen von Migration und Solidarität und sind aktiv im Konfliktfeld Kirchenasyl.

Weitere Informationen gibt es hier.

Zwischenruf im Advent

Kriegstüchtigkeit – die selbstbewusste Form des Wahnsinns

Adventlicher Kommentar von Kuno Füssel

Ein deutscher Kriegsminister posaunt es vollmundig in die Welt, dass Deutschland endlich wieder werden muss, was es immer schon sein wollte und doch nie richtig beherrschte: kriegstüchtig werden. Zynismus und Dummheit lassen vergessen, was Krieg ist und war und bleibt. Zwischenruf im Advent weiterlesen

Die Fallstricke der globalen Digitalisierung

Digital-kapitalistischer Bildungspakt oder kritisch-emanzipatorische Vernunft

Andreas Hellgermann vom Arbeitskreis Religionslehrer:innen am ITP stellt Überlegungen an zum Zusammenhang von Digitalisierung, instrumenteller Vernunft, Solutionismus und kritisch-emanzipatorischer Vernunftkritik. Wir veröffentlichen hier seinen Vortrag, den er beim Ökumenischen Netz Rhein-Mosel-Saar am 2. Dezember 2023 gehalten hat. 

Der Text kann hier nachgelesen werden: Die Fallstricke der globalen Digitalisierung

Ebenso gibt es die Möglichkeit, ihn hier online anzuhören.

Erklärung: Kirchenasyl angesichts der Verschärfung der Abschiebungspraxis

„Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25)

Das Netzwerk Kirchenasyl Münster und die Kirchenasyl-Akteur:innen im Münsterland beobachten mit Sorge die aktuellen staatlichen Bemühungen, die Abschiebepraxis durch den Abbau von rechtsstaatlichen Prinzipien weiter zu beschleunigen. Die Gesetzesverschärfungen sind eine massive Entrechtung: So sollen in Zukunft „ausreisepflichtige“ Personen ohne Haftgrund in Sicherungshaft genommen werden, Abschiebungshaft kann bis zu 6 Monaten angeordnet werden, als seien Geflüchtete generell eine Gefahr für die öffentliche Ordnung. In Zukunft sollen die Behörden sogar ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss zur Nachtzeit Wohnungen auch Dritter betreten dürfen, um dort nach abzuschiebenden Geflüchteten zu suchen. Auch Ankündigungen der Abschiebungen sollen entfallen, was die enorme psychische Belastung der geflüchteten Menschen nur weiter vorantreibt. Wir halten diese aktuellen Verschärfungen für inakzeptabel.
Schon jetzt ist die Zahl der Abschiebungen aus NRW sehr hoch und aus den Landesunterkünften werden jede Nacht Menschen abgeschoben in die Perspektivlosigkeit. Dies bedeutet aus unserer Sicht eine staatliche Billigung inhumaner Härten für Geflüchtete.

Erklärung: Kirchenasyl angesichts der Verschärfung der Abschiebungspraxis weiterlesen

In Gedenken an Florian Giersch

Nachruf zum Tod von Florian Giersch des am ITP von 2015 bis 2022 aktiven Arbeitskreises Pastoral .

Fassungslos und traurig nehmen wir Abschied von unserem Weggefährten, Mitstreiter und Freund Florian Giersch. Am 10. November ist er mit 42 Jahren plötzlich und unerwartet nach einem internistischen Notfall gestorben, nachdem er kurz zuvor noch als St. Martin auf dem Fahrrad in seiner Gemeinde in Bottrop unterwegs war. In Gedanken sind wir bei seinen Liebsten, seiner Familie, seinen Freund:innen und allen, die um ihn trauern.

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Kirchengemeinde St. Cyriakus, Bottrop)

Florian hat unseren „Arbeitskreis Pastoral“ am Institut für Theologie und Politik in unserer aktiven Zeit als Arbeitskreis zwischen 2015 und 2022 wesentlich mitgetragen und geprägt. Wir behalten ihn als geradlinigen, aufrichtigen und freien Menschen in Erinnerung, der wusste, was ihm wichtig war. Als begeisterter Theologe stand er engagiert für seine Überzeugungen und Visionen ein und scheute nicht davor zurück, sich klar zu positionieren: für Gerechtigkeit und Frieden, für die Befreiung aller Menschen und die Bewahrung der Schöpfung. Bei aller Klarheit und Entschiedenheit haben wir ihn immer auch als zugewandt und offen, sensibel und interessiert erlebt, nahe bei den Menschen und verankert mitten im Leben: ein Mensch, der auch die Grauzonen und Ambivalenzen des Lebens kannte. In Gedenken an Florian Giersch weiterlesen

Enrique Dussel

Pilar Puertas
EnriqueDusselEnrique Dussel, argentinisch-mexikanischer Philosoph, Historiker, Theologe und kritischer Denker und einer der größten linken Intellektuellen Lateinamerikas, ist am 5. November in Mexiko-Stadt gestorben.
Dussel wurde 1934 in der Provinz Mendoza, Argentinien, geboren. Er schloss 1957 sein Philosophiestudium an der Universidad Nacional del Cuyo ab. Er reiste nach Europa und promovierte an der Universität Complutense in Madrid. Zwei Jahre lang lebte er in Nazareth bei dem Theologen Paul Gauthier in einer Gemeinschaft palästinensischer Zimmerleute. Diese Erfahrung prägte ihn so sehr, dass er 1959 an einen Freund schrieb: „Eines Tages werden wir die Geschichte Lateinamerikas von der anderen Seite her schreiben müssen, von unten, von den Unterdrückten, von den Armen“. Enrique Dussel weiterlesen