Grenzen der Meinungsfreiheit

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Bewohner und Konzerne: Ungleiche Freiheit am Xingu/ Brasilien

Leonardo Boff
Die terroristischen Attentate zu Beginn diesen Jahres in Paris und in Kopenhagen wegen der vermeintlich beleidigenden Karikaturen Mohammeds, Attentate, die von islamischen Extremisten begangen wurden, haben die Frage der Meinungsfreiheit auf die Tagesordnung gesetzt. In Frankreich gibt es eine wahrhafte Obsession, quasi eine Hysterie in der unbegrenzten Zustimmung zur Meinungsfreiheit , die uns als etwas Heiliges, wie man sagt, von der Aufklärung und der Natur des Laizismus des Staates vermacht wurde. Sie ist etwas absolutes.
Im Gegensatz und mit gutem Grund bekräftigt der prophetische Bischof Don Pedro Casaldáliga: „nichts ist absolut außer Gott und dem Hunger, alles andere ist relativ und begrenzt.“ Wenn man das Gödel-Theorem über die Mathematik hinausdenkt, bestätigt es die unüberwindbare Vorläufigkeit und Begrenztheit allen, was existiert. Warum sollte es mit der Meinungsfreiheit anders sein? Sie kann den Grenzen nicht entfliehen. Sonst würden wir dem „everything goes“ und den Vendettas freie Zügel geben. Die französische Idee der Meinungsfreiheit setzt eine entgrenzte Toleranz voraus: man muss alles tolerieren. Wir halten am Gegenteil fest: Jede Toleranz hat immer eine ethische Grenze, die das „everything goes“ und fehlenden Respekt dem Anderen gegenüber begrenzt, die die personalen und sozialen Beziehungen zerfrisst. Grenzen der Meinungsfreiheit weiterlesen

Offener Brief: KIRCHENASYL IST MENSCHENRECHTSSCHUTZ

Münster, den 18.02.2015

gedenkaktion
Gedenkaktion für tote Flüchtlinge im Mittelmeer

Sehr geehrter Herr Minister de Maizière,
als Christinnen und Christen wenden wir uns, empört über Ihre jüngsten Äußerungen zum Kirchenasyl, mit einem offenen Brief an Sie.
Wir sind darüber empört, dass Sie als amtierender Verfassungsminister „das Kirchenasyl prinzipiell und fundamental ablehnen“ und erklären, es gehe nicht, dass Kirchen sich eigenmächtig über Gesetze hinwegsetzten (Zitat laut DER SPIEGEL vom 31.01.2015).
Für ebenso skandalös halten wir die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass Geflüchtete, die sich wegen drohender Abschiebung im Kirchenasyl befinden, als „untergetaucht“ oder „flüchtig“ eingestuft werden. Die wachsende Zahl von Kirchenasylen in Dublin III-Fällen ist ein Zeichen dafür, dass gegenwärtig Abschiebungen um jeden Preis vorgenommen werden und eine Einzelfallprüfung im Blick auf Härtefälle so gut wie nicht mehr stattfindet. Offener Brief: KIRCHENASYL IST MENSCHENRECHTSSCHUTZ weiterlesen

Solidarität muss praktisch werden! Aufruf zum Blockupy-Aktionstag am 18. März in Frankfurt

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Teilnehmerinnen einer befreiungstheologischen Tagung aus Mexiko, Bolivien, Brasilien, Spanien, den Niederlanden, der Schweiz und der BRD unterstützen blockupy: 1803 – Ich nehm mir frei!

Am 18. März feiern in Frankfurt am Main die Regierenden Europas die Eröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB). Die von den Sparmaßnahmen maßgeblich betroffenen Menschen sind nicht eingeladen.
Wir als Christ_innen wollen dort gemeinsam mit vielen anderen Aktivist_innen des Blockupy-Bündnisses ein Zeichen setzen – gegen Ausgrenzung und Ausschließung, gegen eine Wirtschaft, die tötet, wie es Papst Franziskus formulierte, gegen eine Kultur der Entsolidarisierung.
Anklage und Protest – auch sie sind Teil des biblischen Erbes, in dem wir verwurzelt sind. Wie einst die Prophet_innen glauben wir auch heute, dass wir Christ_innen gerufen sind, Unrecht und Ungerechtigkeit dort, wo wir sie sehen, klar zu benennen, auch wenn es unbequem ist. Wir müssen erklären und überzeugen, aber auch mutig prophetische Zeichen setzen, wo dies heute gefragt ist.
In Frankfurt ist ein Prunkbau entstanden: Solidarität muss praktisch werden! Aufruf zum Blockupy-Aktionstag am 18. März in Frankfurt weiterlesen

Internationale Strategietagung vom 20.-22. Februar 2015 im ITP

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Unter dem Titel „Zukunft und Orte befreienden Christentums“ veranstaltete das Institut für Theologie und Politik (ITP) vom 20.-22. Februar eine internationale Strategietagung in Münster. Die Teilnehmer_innen aus Mexiko, Kolumbien, Brasilien, Spanien, Schweiz, Niederlande und Deutschland setzten sich während dieser Tagung mit folgender Frage auseinander: Wie kann in der aktuellen Situation der Globalisierung, die vor allem Armut, Kriege und Ungleichheiten produziert, eine befreiende Interpretation des Christentums, eine Befreiungstheologie, die die Auferstehung Jesu und die Botschaft vom Reich Gottes mit der gegenwärtigen Welt zusammendenkt, aussehen? Und wo sind vielleicht schon ihre Orte?

rundbrief 42

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Plakate und Poster über Ayotzinapa

Liebe Freundinnen und Freunde des ITP,
ein unruhiges Jahr liegt hinter uns, ein wichtiges Jahr liegt womöglich vor uns. Dies gilt sowohl in globaler Perspektive, als auch auf unseren kleinen Mikrokosmos ITP bezogen.
Dank eurer und Ihrer Hilfe ist es gelungen, dem Institut eine finanzielle Basis und damit eine Zukunft in Aussicht zu stellen. Das heißt nicht, dass wir unser Ziel schon erreicht haben, aber deutlich ist zu spüren, dass viele von euch und von Ihnen ein ernsthaftes Interesse haben, dass unsere Arbeit weitergeht und abgesichert ist. Das erleben wir als Wertschätzung dessen, wofür wir stehen. Vielen Dank!

Die institutionelle Absicherung wird uns als Arbeitsschwerpunkt demzufolge weiterhin begleiten und wir halten euch und Sie auf dem Laufenden. Dazu laden wir herzlich zur nächsten Mitgliederversammlung am 18. April von 10 bis 16 Uhr im ITP ein.
Erinnern wir uns, 2015 jährt sich der Abschluss des 2. Vatikanischen Konzils zum 50. Mal, an das wichtigste Projekt im ITP im Rahmen des Bündnisses Pro-Konzil, die Konzilserinnerung nicht den Reaktionären der Kirchen zu überlassen, sondern die befreiungstheologischen Grundlagen, die dort gelegt wurden, positiv zu beerben und deutlich zum Vorschein zu bringen. Wer konnte, als die Planungen dafür begannen, schon ahnen, dass ein Papst dafür Hilfestellung geben würde? rundbrief 42 weiterlesen

Charlie Hebdo

Wer kann schon die Trauer zurückgebliebener Liebenden einholen, wie kann man solidarisch sein mit den Ermordeten, wie angemessen die Zurückweisung dieser Morde ausdrücken?
In Paris und vielen anderen Orten haben es am Sonntag hunderttausende Menschen versucht. Solidarität, Verteidigung der Freiheit, der Meinungsfreiheit, Verteidigung der europäischen Werte. All dies gibt es, und die Menschen berufen sich zu Recht darauf. Und zu Unrecht zugleich. Charlie Hebdo hat sich auf radikale Meinungsfreiheit berufen und ist dafür ermordet worden. Die Satire-Zeitschrift hat darin die Freiheitsforderung der bürgerlichen Revolution aufgerufen, die ihr Echo in den Rufen und Plakaten auf der place de la République findet, in einem seltsam ungleichzeitigen Pathos, das so gar nicht zur Geschichte dieser Revolution, zur Wirklichkeit ihrer Ideen, Ideologien, und noch weniger zur realen Geschichte dieses Europas passt. Charlie Hebdo weiterlesen

Tun wir nicht, als sei alles in Ordnung! (EG 211)

Dieser Satz bringt auf den Punkt, warum das apostolische Lehrschreiben Evangelii Gaudium von Papst Franziskus eine so große Wichtigkeit hat: Es formuliert das Grundsatzprogramm des „Franziskus-Projekts“, das anstiftet zur Umkehr: Zur Umkehr in wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Hinsicht, vor allem aber Buchdeckelim Verständnis des Wesens der Kirche.
Der Band kommentiert das Schreiben von Papst Franziskus aus politisch-theologischer Perspektive und ist ist in dieser Ausführlichkeit der erste Kommentar im deutschsprachigen Raum.Die engagierte, parteiliche Lektüre von Evangelii Gaudiumdurch TheologInnen, die sich an politischen Kämpfen beteiligen, hat ihren Kontext in den gesellschaftlichen Brennpunkten unserer Zeit. Nicht allein ein akademisches Interesse ist die Grundlage dieser Kommentierung, sondern die politisch-theologische Praxis der AutorInnen, die in Deutschland und zum Teil in Lateinamerika verortet sind.
Sie vereint die Auffassung, dass ein prophetischer Aufbruch in der Kirche nur entsteht, wenn sich eine breite Basis dazu anstiften lässt. Die Beiträge geben Hoffnung, dass eine Kirche möglich ist, die sich radikal in den Dienst der Befreiung und das Reich Gottes ins Zentrum ihrer Praxis stellt. Denn wir können nicht so tun, als sei alles in Ordnung!
Mit Beiträgen von: Norbert Mette, Kuno Füssel, Katja Strobel, Norbert Arntz, Pilar Puertas, Michael Ramminger u.a.
Tun wir nicht, als sei alles in Ordnung!(EG 211)
Ein politisch-theologischer Kommentar zu Evangelii Gaudium
Peter Fendel / Benedikt Kern / Michael Ramminger (Hg.)Edition ITP-Kompass Münster, 2014. ISBN 978-3-9816982-0-6
pb., 172 Seiten, 12,80 €
Das Buch ist über den Buchhandel oder direkt im Institut für Theologie und Politik zu beziehen: buecher@itpol.de

Märtyrer, verarmte Jugendliche und Papst Franziskus

Gespräch mit Weihbischof Chávez aus San Salvador

Salvatrucha: Emblem einer der größten Jugendbanden El Salvadors. Foto: Tomás Imholz
Salvatrucha: Emblem einer der größten Jugendbanden El Salvadors. Foto: Tomás Imholz

Er gilt als Friedensbotschafter auch über die Landesgrenzen hinaus, als ein Vertreter der Befreiungstheologie, als Anwalt verarmter Jugendlicher und als Verhandlungskünstler in scheinbar ausweglosen Situationen.
Wir freuen uns, Weihbischof Gregorio Rosa Chávez in Münster zu Gast zu haben. Er ist ein enger Mitarbeiter Oscar Romeros (1980 ermordet, Seligsprechung 2015) gewesen und in dessen Erzdiözese heute Weihbischof. Wir wollen ihn neben seinen Berichten über seine Arbeit an der Seite junger Menschen, zur Situation der Kirche in San Salvador befragen. Genau 25 Jahre ist es her, dass in San Salvador sechs Jesuiten und deren Mitarbeiterinnen von der Armee ermordet wurden. Unter ihnen war auch der große Befreiungstheologe Ignacio Ellacuría SJ, der bis heute die Theologie Lateinamerikas und darüber hinaus sehr beeinflusst hat. Was sind Mons. Chávez Erinnerungen an Ellacuría, wie hat er die vergangenen 25 Jahre erlebt, was sind für ihn die Aufbrüche heute in der Kirche durch Papst Franziskus und was für Impulse kann er uns für die Kirche in Deutschland mitgeben?
am 5.12.14
um 19.30
in der Aula der KSHG (Frauenstr. 3-6, 48143 Münster)

 

Erklärung zum Abschluss des weltweiten Treffens Sozialer Bewegungen Vom 27. bis 29. Oktober in Rom

Zum Abschluss des Welttreffens Sozialer Bewegungen wollen wir der Öffentlichkeit eine kurze Zusammenfassung dessen vorlegen, was in diesen drei historischen Tagen geschehen ist.

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Foto: cpalsocial.org

1. Inspiriert von Papst Franziskus und organisiert von der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“, der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften sowie von verschiedenen Volksbewegungen aus der ganzen Welt sind wir, eine Delegation von mehr als hundert gesellschaftlichen Führungskräften aus allen Kontinenten, in Rom zusammengekommen, um die entscheidenden Probleme und Herausforderungen der Menschheitsfamilie (insbesondere gesellschaftliche Ausgrenzung, ungleiche Verteilung der Lebenschancen, Gewalt und Umweltkrise) aus der Perspektive der Armen und ihrer Organisationen zu diskutieren, und zwar vor allem orientiert an den drei Erfahrungsbereichen: Landbesitz, Arbeit und Wohnung.

2. Die Tagung verfolgte das Ziel, die Kultur der Begegnung praktisch zu erfahren dadurch, dass Genossinnen und Genossen, Brüder und Schwestern aus verschiedenen Kontinenten, Generationen, Berufen, Religionen, Ideen und Erfahrungen beteiligt waren. Nicht nur Vertreterinnen und Vertreter aus den drei genannten Erfahrungsbereichen nahmen an dem Treffen teil, sondern auch eine große Gruppe von Bischöfen, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Pastoral, von Intellektuellen und Akademikern, die ebenfalls wichtige Beiträge zum Treffen beisteuerten, aber stets die vorrangige Rolle der drei Erfahrungsbereiche und der Sozialen Bewegungen respektierten. Beim Treffen waren auch Spannungen spürbar, denen wir uns aber als Geschwister gemeinsam stellten. Erklärung zum Abschluss des weltweiten Treffens Sozialer Bewegungen Vom 27. bis 29. Oktober in Rom weiterlesen

25. Jahrestag der Ermordung von sechs Jesuiten und zwei Frauen in El Salvador

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Gedenktafel im Garten der UCA. Foto: M. Ramminger

Märtyrer für Glaube und Gerechtigkeit
Die Mörder kamen in der Nacht. Von höchster Stelle hatten die Soldaten den Befehl erhalten, die Jesuiten in der Zentralamerikanischen Universität (UCA) umzubringen. Am Morgen des 16. November 1989 fand man Ignacio Ellacuría, Segundo Montes, Ignacio Martín-Baró, Joaquín López y López, Juan Ramón Moreno und Amando López erschossen im Garten liegend. Mit ihnen wurde auch die Köchin Elba Ramos und ihre Tochter Celina ermordet, die in dieser Nacht Schutz im Haus der Jesuiten vor den Kämpfen des Bürgerkriegs gesucht hatten.
Warum wurden sie umgebracht? Die kürzeste Antwort darauf ist auf der Grabplatte in der Universitätskapelle zu lesen. Hier wird der wichtigste Auftrag des Jesuitenordens in unserer heutigen Zeit beschrieben, wie ihn die Generalkongregation von 1974/75  formuliert hat: „Was heißt heute Jesuit, Gefährte Jesu sein? Sich unter dem Kreuz im entscheidenden Kampf unserer Zeit einzusetzen: im Kampf für den Glauben, der den Kampf für die Gerechtigkeit mit einschließt.“ 25. Jahrestag der Ermordung von sechs Jesuiten und zwei Frauen in El Salvador weiterlesen