Was der Heilige Arnold von Arnoldsweiler mit radikalem Klimaschutz und kollektivem Eigentum zu tun hat
Am Pfingstdienstag, den 2. Juni 2020, fand im Rheinischen Braunkohlerevier am Hambacher Forst die Wachszins-Fahrradwallfahrt von Buir nach Arnoldsweiler statt, zu der die Initiativen „Waldspaziergang Hambacher Wald“, „Kirche(n) im Dorf lassen“, „Alle Dörfer bleiben“, der Katholikenrat Düren und das Institut für Theologie und Politik aufgerufen hatten. Über 60 PilgerInnen beteiligten sich und ließen so die 640 Jahre alte Tradition wieder zum Leben erwachen.
In Arnoldsweiler liegt der Heilige Arnold (+ um 800) begraben, der als Hofmusiker Karls des Großen von diesem einst nach einem Ritt um den Wald, diesen geschenkt bekam und ihn den umliegenden verarmten Dörfern als Gemeingut übertrug. Aus Dank brachten die ca- 20 Dörfer jährlich ihren Wachszins in die Arnolduskapelle bis ins 19. Jh. (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_von_Arnoldsweiler). Der Bürgewald blieb seit dem Mittelalter in der Hand der Dörfer und somit erhalten – bis er von RWE aufgekauft und zu 90% gerodet und damit unwiederbringlich zerstört wurde zur Braunkohleförderung.
Neben dem Dank und der Hoffnung auf den Erhalt des verbleibenden Waldes sowie der angrenzenden von RWE bedrohten Dörfer wurde bei der wiederbelebten ersten Wachszins-Wallfahrt auch der Opfer von Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen in der rheinischen Braunkohleförderung während des 2. Weltkrieges gedacht. So gehören Klimaschutz und Antifaschismus eng zusammen.
Es gab sehr beeindruckende und bewegende Momente – eine Stärkung für unseren gemeinsamen Kampf um den Kohleausstieg, für weltweite Klimagerechtigkeit und für eine Überwindung des zerstörerischen kapitalistischen Wirtschaftssystems. Der Liedermacher Gerd Schinkel hat ein visionäres Lied zu „Arnolds freier Republik“ geschrieben: https://www.youtube.com/watch?v=viLFI9IX02E.
Hier ist der Redebeitrag des ITP zur Wachszins-Wallfahrt nachzulesen:
Wachszins und Klimaschutz
Der Wachszins, an den uns die heute gemachten Kerzen erinnern, macht für uns eine alte Legende lebendig, in der einiges steckt, an das sich zu erinnern lohnt:
Zum einen geht es uns hier und heute um den Hambacher Forst. Wir erinnern uns an einen Wald, der über Jahrhunderte ein wertvolles Stück Natur in dieser Region ist, Artenvielfalt ermöglichte und ein Bürgewald war, also Allgemeingut. Dieser Wald ist heute zu 90% gerodet und von weiterer Zerstörung bedroht. Darin ist er für uns ein Symbol für die sich weltweit ausbreitende Naturzerstörung, die die Klimakatastrophe immer weiter vorantreibt und das Leben auf der Erde bedroht. Seine Zerstörung steht als eines von unzähligen Beispielen in allen Teilen der Erde für das, was es bedeutet, wenn unsere Erde immer weiter zerstört wird…
Gleichzeitig ist der Hambi in den letzten Jahren auch zu einem ganz anderen, ermutigenden Symbol des Widerstands geworden: Menschen sind in den Wald gezogen, um ihn notfalls mit ihrem eigenen Körper zu beschützen und haben hier neue Formen des Zusammenlebens erprobt. Viele Menschen von nah und fern haben sich diesem Widerstand angeschlossen, in besonders beeindruckender Weise geschah dies im Herbst 2018, als trotz der staatlichen und polizeilichen Versuche jeglichen Widerstand zu kriminalisieren, die Menschen zu Tausenden in den Wald kamen, um für Klimaschutz und gegen RWE und gegen deren Unterstützung von der Landesregierung zu protestieren. Dass die geplante Räumung und Abholzung des Hambi so gestoppt werden konnte und schließlich auch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster RWE und NRW-Landesregierung in die Quere kam, hat vielen Mut gemacht, dass so ein Widerstand nicht umsonst ist.
Auch die Erfahrungen im Hambacher Forst haben uns ermutigt bei einer Klimasynode im Rheinischen Braunkohlerevier im Herbst 2019 anlässlich der Amazonassynode in Rom zu überlegen, wie ChristInnen und Soziale Bewegungen sich gemeinsam für Klimaschutz einsetzen können. Dazu haben wir damals geschrieben:
„Die Protestierenden in aller Welt haben erkannt, was auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si betont: „Eine Strategie für eine wirkliche Veränderung verlangt, die Gesamtheit der Vorgänge zu überdenken, denn es reicht nicht, oberflächliche ökologische Überlegungen einzubeziehen, während man nicht die Logik infrage stellt, die der gegenwärtigen Kultur zugrunde liegt.“ (LS 197) Dies macht überdeutlich: die ökologische Frage ist eng verknüpft mit der sozialen Frage, ja darüber hinaus mit der Frage, wie wir in unserem „gemeinsamen Haus“ (LS) leben und wirtschaften wollen. Dies gilt für Amazonien, für das Rheinische Braunkohlerevier und die Welt als Ganzes.
Menschen, Natur und Kultur dürfen nicht länger der Effizienz-, Verwertungs- und Wachstumslogik geopfert werden. Dieser Logik ist allerdings mit individueller Umkehr allein nicht beizukommen, wir brauchen vielmehr eine gesellschaftliche Umkehr.
Wir brauchen also eine neue Wirtschaftsweise jenseits des zerstörerischen, unter Wachstumszwang stehenden Kapitalismus, um den Klimawandel zu stoppen. Wir brauchen Menschen, die sich dafür bereits heute in Bewegung setzen, um deutlich zu machen, dass Alternativen notwendig und möglich sind.“
Diese Zusammenhänge zwischen Mensch und Natur, sozialen und ökologischen Fragen, Klimaschutz und der Art und Weise unseres Wirtschaftens, die wir übereinstimmend mit Papst Franziskus stark machen, werden auch schon in der Geschichte des Hl. Arnold deutlich: Ihm geht es nicht um die private Verfügung über den Wald oder darum diesen zu kirchlichem Territorium zu machen. Das Handeln des Hl. Arnold, den Wald den Menschen, die um ihn herum leben als Gemeinschaftsgut anzuvertrauen, verweist auch uns als ChristInnen heute darauf, dass der Einsatz für ökologische Fragen, von der Diskussion um das gesellschaftliche Zusammenleben und damit auch das Wirtschaften in unserem gemeinsamen Haus, der Erde nicht zu trennen ist. Deshalb sind wir dazu aufgerufen, die Erde wie die Menschen vor Ausbeutung zu schützen und unser Wirtschaften nach demokratischen Erwägungen auszurichten, so dass die Güter der Erde allen Menschen gehören und wir gemeinsam Entscheidungen darüber fällen, wie sie einzusetzen sind, statt dies der Profit- und Verwertungslogik zu überlassen. Zu einer solchen Umkehr, in unserer Gesellschaft, in unserem Blick auf die Natur, in unserem Wirtschaften und Leben möge uns der Hl. Arnold inspirieren! Und der Geist von Pfingsten, der diese Erde erneuern möchte, möge uns dazu Kraft und Mut geben!