Passend zum fröhlichen Weihnachtsfeste hier folgende Neuigkeiten aus Brasilien: Seit neunzehn Tagen befindet sich der brasilianische Bischof Cappio von Bahia im Hungesrstreik bzw. Solidaritätsfasten gegen ein gigantomanisches Umlenkprojekt des Rio San Francisco im Norden Brasiliens. Angeblich soll es der Bevölkerung zur Trinkwasserversorgung dienen, in Wahrheit dient es Industrie und Agrobusiness, wie der folgende Artikel des Bischofs nachweist. Trotz eines gerichtlichen Verbotes hat die brasilianische Regierung erklärt, unter dem Schutz des Militärs weiterzubauen. Ein Treffen der Spitze der brasilianischen Bischofskonferenz mit Lula ging ergebnislos zuende. Der Pastoralrat der brasilianischen Bischofskonferenz hat nun einen Brief veröffentlicht, in dem zur Solidarität mit Bischof Cappio und seinem Anliegen aufgerufen wird: „Der Pastoralrat der Bischofskonferenz lädt alle christlichen Geminschaften und Menschen guten Willens ein, sich in der Unterstützung und im Gebet für Bischof Luiz Cappio zusammenzuschliessen, für sein ‚Leben, seine Gesundheit und in Solidarität mit der Sache, die er verteidigt.“
Ich faste auch für wirkliche Demokratie
Bischof Luiz Flavio Cappio (Artikel in FSP 12.12.07, S. A3
Sie klagen mich an, ein Feind der Demokratie zu sein, weil ich durch Fasten und Beten ein autoritäres und verlogenes Projekt bekämpfe: das der Umsiedlung
Sie klagen mich an, ein Feind der Demokratie zu sein, weil ich durch Fasten und Beten ein autoritäres, verlogenes und rückwärtsgewandtes Projekt der Bundesregierung bekämpfe, das der Umleitung des Rio San Francisco. Meine Geste ist kein voluntaristische Nötigung eines Individsuums. Wenn es so wäre, gäbe es nicht so viel unterschiedliche und wachsende Unterstützung von Vertretern ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Sektoren, ja sogar aus der PT. Wenn wir in einer substantiellen und lebendigen republikanischen Demokratie leben würden, bräuchte ich nicht das zu tun, was ich tue. Eine der grössten Übel der „Demokratie“ in Brasilien besteht daran, so glaube ich, dass politische Mandate eine unbegrenzte Macht übertragen, unterstützt durch eine völlige Entpflichtung vom Diskurs der Kampagne, ein Zeichen dafür, dass alles geht, für mehr Macht und für mehr Reichtum. Einflussnahme, Unterschlagung öffentlicher Gelder, , Korruption bei öffentlichen Ausschreibungen sind traditionelle Praktiken in der brasilianischen Politik – und offenbar immer noch weit davon entfernt, überwunden zu sein. Die Gesellschaft ist angewidert und muss sich erheben. Es gibt Politiker, und unglücklicherweise nicht wenige – die, wo immer sie auftauchen, eine Spur der Übertretungen, der Korruption, illegitimer Bereicherung, des „Gibst du mir-geb ich dir“ etc. hinterlassen. So, wie der Wahl-Klientelismus, die Mythifizierung von Personen, die leeren Kampagnenversprechen immernoch funktionieren, oder das Dummhalten des Volkes, so schaffen es diese Politiker immer wieder, wiedergewählt zu werden, auf Positionen mit großer Macht in Regierungen aufzuspringen, egal in welcher Partei sie sind oder in welchen Koalitionen. In der Kamapagne des Kanditaten Lula wurde das kritische Thema der Umlenkung so gut wie möglich vermieden. Aber die Wahlkampagnen auf der Grundlage von „Marketing“ und dem Geld der „schwarzen Kassen“ (Anspeilung auf einen Parteigeldskandal in Brasilien, M.R.) der Unternehmen waren die grossen Manifestationen der Lebenskraft unserer Demokratie, genauso wie es die elektronischen Urnen in den USA (Anspielung auf den Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen in den USA), M.R.) gezeigt haben. Das Projekt der Umlenkung ist nicht demokratisch, weil es den Zugang zum Wasser für die Menschen nicht demokratisiert, die dort Leben/ Durst haben in der halb-trockenen Region in der Nähe oder weiter entfernmt vom San Franzisco. Die Regierung lügt, wenn sie sagt, dass sie Wasser für 12 Millionen Durstige bringen wird. Es ist ein Projekt, dass behauptet/beansprucht, öffentliche Gelder zu nutzen, um Firmen zu bevorzugen und das Wasser des Nordostens zu privatisieren und in den Händen weniger für immer zu konzentrieren hinter den Dämmen, in denen das Wasser des San Franzisko zusammenfließt.
Die Umlenkung hat nichts mit der Trockenheit zu tun. Sobald/ Genauso, wie die Kanäle der Nordachse, von wo aus 71% aller Transportgüter kommen ….
Und 87% dieses Wassers würden für ökonomische Aktivitäten benutzt, die einen hohen Wasserverbrauch haben, wie die bewässerten Obstplantagen, Garnelenzucht und Stahlproduktion für den Export mit ernsten Auswirkungen für Mensch und Natur. Diese Zahlen sind aus der Studie EIAs-Rima (Studie über die Umweltauswirkungen/Bericht über den Einfluss auf die Umwelt), die von Gesetz wegen veröffentlicht ist, auch wenn die Regierung nur Auszüge in das Internet gestellt hat.
Das Projekt der Umleitung ist illegal und ist auf widersprüchliche und autoritäre Weise geführt: die Studien über die Auswirkungen sind lückenhaft, der Prozess der Umwelt-Lizenzierung war fehlerhaft, indigene Länderen wurden berührt und der Nationalkongress wurde nicht gehört, wie es die Verfassung vorschreibt. Es hat bereits 14 Aktionen gegeben, die Unregelmäßigkeiten und Unrechtmäßigkeiten nachwiesen, die bisher nicht vor dem obersten Grichtshof verhandelt worden sind. Aber die Regierung hat das Heer geschickt, um den Beginn der Bauarbeioten zu schützen, und damit die Rolle des Militärs mißbraucht und die Region militarisiert. Die Entscheidung des TRF (Gerichtshof desBundesstaates) der ersten Region, Brasilia, die Untebrechung der Arbeiten anzuordnen, ist eine weitere dieser Offensichtlichkeiten.
Das empörenste, weil es das entscheidenste sein wird, ist, dass die Regierung darauf besteht, die öffentliche Meinung zu erpressen, insbesondere die der Staaten, die zu profitieren hoffen, durch Verprechen auf viel und einfaches Wasser, was den wirklichen Zielen widerspricht, den Funktionsdetails, den Kosten und den Bezahlungsmodalitäten, bei denen die Kleinen den Großen dienen, wie es schon bei der Elektrizität ist. ?????Die Studien von EIAs/Rima zeigen klar: 70% sind für Bewässerung, 26% für industriellen Bedarf und nur 4% werden an die Bevölkerung weitergegeben.
Es gibt ein weit größeres Projekt. Wir wollen Wasser für 44 Millionen Menschen in der semi-trockenen Zone. Für neun Staaten, nicht nur für vier. Für 1256 Städte, nicht nur für 397. Alles zur Hälfte des Preises, der von der PAC für die Umlenkung vorgesehen ist. …Ich wurde als Fundamentalist und Feind der Demokratie beschimpft, weil ich provoziert habe, dass das Volk sich erhebt. Und davor haben die „Demokraten“, die mich anklagen, Angst. Warum sagt man nicht die Wahrheit über das Projekt, welches der bessere Weg für die Entwicklung der semi-trockenen Zone wäre? Darin besteht unser Kampf und eine wirkliche Demokratie.
DOM FREI LUIZ FLÁVIO CAPPIO, 61, ist Diözesanbischof in der Stadt Barra und Autor des Buches: “Rio São Francisco, ein Weg zwischen Leben und Tod”
Artikel in der Folha Sao Paulo, einer der gößten Tageszeitungen Brasiliens, am 12.12. 2007.
mögliche Solidaritätsaktionen:
- Solidaritätsfasten für einen oder mehrere Tage, mit der Bitte um eineInformation der BegleiterInnen der Aktion in Brasilien, die mit diesen
- Informationen weiter Druck auf die brasilianische Öffentlichkeit und Regierung ausüben wollen. Bitte Mail an Thomas Bauer tbauer@newnet.com.br.
- Online-Petition an den brasilianischen Präsidenten: Hier kann ein deutscher Brief online unterzeichnet werden. Die Unterschriften werden (wenn gewünscht) auch im Internet veröffentlicht. http://www.ewl-hueckelhoven.de/cappio.htm
- Protestbriefe an die brasilianische Regierung (in portugiesischer, englischer oder deutscher Sprache) zur Unterstützung der Aktion von Dom Luiz. Adressen der Regierung: PRESIDENCIA DE LA REPÚBLICA, Präsident Luiz Inácio Lula da Silva: presidencia@planalto.gov.br oder: protocolo@planalto.gov.br
- Weitere Informationen zum aktuellen Stand: http://stefansilber.blogspot.com/