Auch im Weltsozialforum 2009 zeigen sich einige „Risse“. Zum einen ist ganz deutlich, dass nicht nur unter den TeilnehmerInnen, sondern auch im Bereich der Veranstaltungen und der Themen „Brasilien“ dominant ist. Nicht nur Europa und Nordamerika treten in den Hintergrund, was ja noch verständlich wäre, Asien kommt kaum und Afrika fast gar nicht vor.
Zum Anderen zeigt sich eine gewisse Separation von Volksbewegungen und Intellektuellen. Es gibt die großen Foren der Sozialen Bewegungen zu den virulenten sozialen und ökologischen Themen und relativ kleine Diskussionsveranstaltungen , in denen die Bedeutung und die Strategien im Umgang mit der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise, das Verhältnis von Sozialen Bewegungen und Staat, der Sozialusmus im 21. Jahrhundert und über Konvergenzen zwischen Nord und Süd diskutiert werden.
Um dies aufzuzeigen hier nur zwei Beispiele: Michael Hardt, Mitautor des vielbeachteten Buches „Empire. Die neue Weltordnung“ zeigte in einer Diskussionsveranstaltung über die Rolle Soziale Bewegungen auf, dass im politischen Alltag nur zwei mögliche Verhältnisse von Sozialen Bewegungen und Staat/Regierungen gedacht werden: Ablehnung oder Unterstützung. Dies zeige sich zur Zeit vor allen Dingen in Lateinamerika, wo die sozialen Bewegungen ihre Position gegenüber den linken Regierungen bestimmen müssten. Aus seiner Sicht müsse es aber darum gehen, zu verstehen, dass Soziale Bewegungen den Regierungen „voraus“ seien. Es gehe nicht um Ablehnung oder Unterstützung, auch nicht um ein Anschieben von hinten, sondern um Wegbereitung. In diesem Zusammenhang erinnerte der US-Amerikaner Hardt auch, daran, dass es in den Antrittsreden von Evo Morales als Präsident von Bolivien und von Barak Obama als US-Präsident eine entscheidende Parallele gebe: Beide haben sich darauf bezogen, dass sie selbst sich an Zeiten erinnern können, in denen sie bzw. ihre Eltern von gesellschaftlicher Partizipation ausgeschlossen waren, Morales als Indio, Obama als Schwarzer. In diesem Sinne müsse man sich genau überlegen und Kriterien erarbeiten, wenn man einen gesellschaftlichen Aufbruch ablehne, den anderen aber unterstütze. Besser sei allemal, als soziale Bewegung in gesellschaftlichen Fragen vorauszugehen.
In einer Veranstaltung des BUKO, Bundeskoordination Internationalismus, ging es u.a. um die Frage nach einer Positionierung gegenüber der Weltwirtschaftskrise. Im (sehr) kleinen Kreis, vornehmlich europäischen TeilnehmerInnen war deutlich, dass die aktuelle Form des „Öko-Keynsianismus“, des „green new deal“, mit dem die weiterhin kapitalistisch strukturierte Wirtschaft über Investitionen in ökologische Wirtschaftssektoren wie Energiegewinnung aus nachwachsende Rohstoffe, Solarindustrie etc. keine Lösung für das neue Problem ist: Gegenüber früheren Krisen stehen wir heute vor der Situation, dass das Projekt Mensch vor dem Aus steht, weil Lebensmöglichkeit grundsätzlich zerstört wird. Auf die Frage allerdings, was „retten“ kann, formulierte ein Teilnehmer, dass die Erinnerung daran, dass es auch anders sein kann, den Widerstand der Bevölkerungen und sozialen Bewegungen speise. Was allerdings Gegenstand dieser Erinnerung sein könnte und ob diese nicht auch manipuliert werde und sei, darüber kam keine Verständigung zustande.